Welt der technischen Wunder
Symbol römischer Baukunst
2.000 Jahre ist er alt und steht immer noch da wie eine Eins. Der Pont du Gard in der Provence ist ein eindrucksvolles Beispiel, welch großartige Baumeister die Römer waren. Drei Jahre lang soll der im 1. Jahrhundert n. Chr. fertiggestellte Bau gedauert haben. Über 1.000 Menschen sollen mitgebaut haben. Der Pont du Gard ist die Schlüsselstelle einer Frischwasserverbindung zwischen den heutigen Städten Uzès und Nîmes. Die beiden Städte liegen nur 20 Kilometer Luftlinie auseinander, aber die Leitung muss einige geografische Hindernisse überwinden oder umgehen, sodass sie mehr als das Doppelte an Wegstrecke zurücklegt. Die Herausforderung: Der Höhenunterschied zwischen der Quelle in Uzès und der Stadt Nîmes betrug gerade mal 17 Meter. Das ergibt ein Gefälle von gerade einmal 34 Zentimetern pro Kilometer. Und dies wird – obwohl Berge durchbohrt und Flusstäler überwunden werden müssen – auf den gesamten 50 Kilometern exakt eingehalten. Genial!
Fortschritt durch Eisen
Aufzüge gehören für die viele Menschen zum Alltag. In Lissabon verbindet einer sogar mehrere Stadtteile miteinander. Der Elevador de Santa Justa überwindet 45 Höhenmeter zwischen dem tiefer gelegenen Bezirk Baixa und den Stadtteilen Chiado und Bairro Alto in der Oberstadt. Der Aufzug ist eine Reminiszenz an das Baumaterial um das Jahr 1900: Eisen. Es symbolisierte Fortschritt und erlaubte meisterhafte Verzierungen in der Konstruktion. Verantwortlich für den Bau von 1900 bis 1902 war Raoul Mesnier de Ponsard, ein Schüler von Gustave Eiffel. Daher auch gewisse Ähnlichkeiten mit dem berühmten Eiffelturm in Paris. In die beiden verglasten, im Originalzustand erhaltenen Kabinen passen je 24 Personen. Während der Fahrt, für die über fünf Euro berappt werden müssen, können sie allerdings durch die Glasscheiben kaum mehr als die gusseiserne Konstruktion sehen. Im oberen Punkt angekommen, gelangen die Besucher über einen Steg in die Oberstadt. Über dem Ausstieg gibt es zwei weitere Stockwerke, die über eine Treppe erklommen werden müssen. Zuerst folgt das Maschinenhaus, in dem Dampfmaschinen und ab 1907 Elektromotoren arbeiteten, um die Kabinen zu bewegen. Von der darüber liegenden Aussichtsplattform haben die Besucher einen Blick über die Unterstadt bis zur gegenüberliegenden Festung Castelo de São Jorge – magnífico.
Lebendiges Denkmal der Industriekultur
Gigantische Maschinen, riesige Hallen, Transportbänder, Förderwagen und Rohrleitungen stehen für eine bewegte und bewegende Industriegeschichte. Die Zeche Zollverein in Essen (der einst größten Bergbaustadt Europas) war einmal die größte Steinkohlenzeche der Welt. 1986 wurde der Betrieb eingestellt. Wo einst von 8.000 Bergleuten bis zu 12.000 Tonnen Kohle am Tag gefördert, aufbereitet und schließlich zu Koks veredelt wurden, erleben Besucher heute Kunst, Kultur und Sport. Es gibt dort sogar ein 12 mal 5 Meter großes Schwimmbad aus zwei zusammengeschweißten Überseecontainern. Außerdem haben sich dort 60 Start-ups angesiedelt. Und natürlich kann man dort auch wortwörtlich in die Arbeitswelt der Bergleute eintauchen. Bei geführten Touren in den bis zu 1.000 Meter unter die Erde vorstoßenden Schacht XII geht es tief in die Unterwelt.
Mütter der Massenfertigung
Auch wenn Henry Ford letztlich nur bereits vorhandene Fertigungstechniken adaptierte, gilt er als „Vater des Fließbands“. Seine Idee, ab 1913 zur Montage des T-Modells „assembly lines“ einzusetzen, stammte aus der größten Fleischfabrik der Welt, den Union Stock Yards in Chicago. Dort hingen Schweine und Rinder an rotierenden Transportketten, die „disassembly lines“ genannt wurden, also Zerlege-Bänder. Der Auftakt zur Massenfertigung wurde aber noch viel früher eingeläutet: Bereits im 15. Jahrhundert durchliefen in der noch heute zu besichtigenden venezianischen Werft Arsenale Novissimo Schiffe auf dem Weg zur Fertigstellung einzelne Stationen entlang einer größtenteils überdachten Montagestraße. Dabei kamen auch hydraulische Kräne zum Einsatz. Insgesamt bedeckt die historische Werftanlage etwa sechs Prozent von Venedigs Stadtgebiets. Die zeitweise bis zu 16.000 Arsenelotti, wie die Werftarbeiter genannt wurden, verbauten standardisierte Teile. Auch das erhöhte den Output und sorgte dafür, dass Venedig zur einflussreichen Seemacht aufstieg.
218 Meter in die Tiefe blicken
Wer traut sich? Die zwischen 2014 und 2017 gebaute Hongyagu-Glasbodenbrücke, etwa 300 Kilometer südwestlich der chinesischen Hauptstadt Peking, ist die weltweit längste ihrer Art. Sie verbindet über 488 Meter Länge zwei steile Klippen im Hongyagu Scenic Area im Landkreis Pingshan. Zwischen jeweils drei parallel gespannten Stahlseilen hängen 1.077 jeweils vier Zentimeter dicke Glasplatten. Um die nicht zu zerkratzen, dürfen die Besucher sie nur mit speziellen Überschuhen betreten. Obwohl die Brücke für das Gewicht von 2.000 Personen ausgelegt ist und ihre Tragfähigkeit bis zum 3,5-fachen des chinesischen Landesstandards beträgt, dürften nur maximal 500 Menschen gleichzeitig die spektakuläre Aussicht über das Tal genießen. Die an beiden ansteigenden Enden der Brücke befindlichen Treppen sind ebenfalls mit Glasplatten belegt. Schräg unter der Brücke angeordnete Abspannseile dämpfen windbedingte Schwankungen, verhindern sie aber nicht komplett. Die Konstruktion ist so ausgelegt, dass sie den stärksten Winden in dieser Region trotzt. Bei Sturm ist die Brücke für Besucher allerdings gesperrt.
Wegbereiter des Alpentourismus
Wer keine Lust aufs Bergwandern hat, fährt auf der Rigi Zug. Auf den knapp 1.800 Meter hohen Schweizer Gipfel führt die älteste Zahnradbahn Europas, die in nur zwei Jahren gebaut und vor mehr als 150 Jahren anno 1871 eröffnet wurde. Hier nahm die touristische Entwicklung der Schweiz und ganz Europas einen buchstäblich steilen Aufstieg. Die Bahn gilt als technische Pionierleistung. Das Besondere an ihr: Das Zahnstangensystem des Eisenbahnpioniers Niklaus Riggenbach gehört auch heute noch zu den verbreitetsten Zahnradsystemen Europas. Mit ihm lassen sich Steigungen von bis zu 50 Prozent bewältigen. Zahnradbahnen gab es vorher zwar schon in England und den USA, aber Riggenbach erfand sein eigenes Verfahren: eine Zahnstange wie eine schmale Leiter, die zwischen den Schienen für die Räder liegt. Unter Lok und Waggons ist ein großes Zahnrad angebracht, das in die Zähne der „Leitersprossen“ greift. Die Zahnstangen, die Riggenbachs Ingenieure damals verlegten, sind noch immer auf der fünf Kilometer langen Bahnstrecke in Betrieb. Wenn die Zähne locker werden, wird einfach nachgebessert. Auch nach mehr als 150 Jahren augenscheinlich kein Problem.
Ein Rekord-Brückenschlag
Für viele Betrachter ist sie vor allem eins: eine wunderschöne Brücke. Bei ihrer Eröffnung am 24. Mai 1883 wurde die New Yorker Brooklyn Bridge hingegen vorrangig als ein technisches Meisterwerk gefeiert. Zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung war die Brooklyn Bridge die längste Hängebrücke der Welt. Mit 1.834 Metern übertraf sie alle zuvor errichteten in ihrer Länge um mehr als 50 Prozent. Das längste freischwebende Brückenteil über den East River misst 486 Meter. Die Brooklyn Bridge verbindet die New Yorker Stadtteile Manhattan und Brooklyn und ist mit 120.000 Fahrzeugen, 4.000 Fußgängern und 3.100 Radfahrern pro Tag eine der wichtigsten Lebensadern der Millionenmetropole. Der Bau der Brooklyn Bridge galt bis Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund der gezeitenabhängigen Strömungen und des starken Schiffsverkehrs als unmöglich. Erst der deutschstämmige Ingenieur Johann August Röbling konnte die Stadt New York und Geldgeber überzeugen. Die Fertigstellung erlebte er allerdings nicht, er verletzte sich bei einer Baubesichtigung tödlich. Auch 27 der rund 6.000 Arbeiter, die zwischen 1870 und 1883 an dem Bau mitwirkten, kamen bei Arbeitsunfällen ums Leben. Um die Brücke an den 40 Meter hohen Granittragsäulen aufzuhängen, wurden 24.000 Kilometer Draht verarbeitet. Die vier Tragkabel sind jeweils 40 Zentimeter dick zusammengepresst und mit heißem Draht umwickelt wurden. Röbling legte die Seile für eine sechsmal höhere Last aus als eigentlich erforderlich und machte sein Meisterwerk fit für den wachsenden Verkehr. Ursprünglich umfasste die Brooklyn Bridge je Fahrrichtung vier Fahrbahnen und eine Eisenbahnspur. Heute gibt es drei Fahrspuren Richtung Brooklyn, zwei Richtung Manhattan und eine Fahrspur für Radfahrer in beide Richtungen. In der Ebene darüber befindet sich ein breiter Fußweg. Eine 800 Millionen Dollar teure Sanierung in den 2010er-Jahren hat New Yorks alte Brückendame fit fürs nächste Jahrhundert gemacht.
Riesenrad für Schiffe
Schiffshebewerke gehören allein wegen ihrer Ausmaße und der bewegten Massen zu den spektakulärsten Mobilitätsbauwerken der Technikgeschichte. Unter den wenigen, die es auf der Welt überhaupt gibt, ist eines von seiner Konstruktion her einzigartig: das Rotationsschiffshebewerk im schottischen Falkirk. Wie ein gewaltiges Riesenrad befördert das technische Wunder Schiffe 24 Meter in die Höhe, um vom Forth and Clyde Canal in den Union Canal überzusetzen. Die Schiffe parken in zwei wassergefüllten Trögen, die an ihren Enden an Radnaben aufgehängt werden, damit sie während der Drehung der Tragarme ihre horizontale Position beibehalten. 10 Minuten dauert die “Fahrt”. Oben angekommen, erwartet die Schiffer eine weitere Besonderheit: eine Fahrt durch einen der wenigen Wasserstraßentunnel auf dieser Erde.