KI macht Tempo in der Werkhalle
Was versteht man unter generativer KI in der Fertigung?
Generative KI ist eine Technologie, die mithilfe von tiefen neuronalen Netzen kreative Lösungen entwickelt, indem sie komplexe Muster in Daten erkennt und daraus eigenständig kreative neue Designs, Prozesse oder Produkte erzeugt oder bestehende optimiert. Dabei geht es nicht nur um die grundsätzliche Automatisierung von Prozessen, wie sie auch durch andere KI-Verfahren erreicht werden können, sondern um die aktive Mitgestaltung und Verbesserung der gesamten Fertigungslandschaft. Die KI wird „zum Kollegen, zum Co-Designer“.
Generative KI kann besonders in komplexen, mehrstufigen Fertigungsprozessen große Optimierungen erzielen, vor allem dort, wo viele Variablen gleichzeitig gesteuert werden müssen. KI kann in Echtzeit Produktionsparameter dynamisch anpassen, die vorher statisch hinterlegt wurden oder manuell durch sehr erfahrene Facharbeiter angepasst werden mussten, um Ausschuss zu minimieren und die Produktqualität zu maximieren. Diese Technologien haben bereits in vielen Industrien beeindruckende Ergebnisse erzielt.
Was kann KI gerade in der Fertigung besser als klassische Computerprogramme?
Im Gegensatz zu klassischen Computerprogrammen kann KI durch kontinuierliches Lernen und Adaptieren aus großen Datenmengen präzisere Vorhersagen treffen und flexibel auf unerwartete Situationen reagieren. Diese Fähigkeit, nicht nur auf Regeln, sondern auf Erfahrung zu basieren, macht KI besonders wertvoll in dynamischen Fertigungsumgebungen.
Ein herausragendes Beispiel ist die Nutzung von generativer KI zur Topologie-Optimierung in der additiven Fertigung wie dem 3D-Druck, bei der Bauteile strukturell verbessert werden, um Gewicht zu reduzieren und gleichzeitig die Festigkeit zu erhöhen.
Ein Beispiel aus der Automobilindustrie ist die Optimierung von Produktionslinien in der Fahrzeugmontage. Hier kann KI eingesetzt werden, um den Materialfluss, die Taktzeiten und die Reihenfolge der Arbeitsschritte so anzupassen, dass die Produktionsgeschwindigkeit erhöht und gleichzeitig der Energieverbrauch gesenkt wird. Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Automobilzulieferer ist die Optimierung von Spritzgussverfahren für Kunststoffteile. Generative KI kann in Echtzeit Parameter wie Einspritzdruck und Abkühlzeiten anpassen, um Formfehler zu minimieren und die Qualität der produzierten Teile zu maximieren. Solche Optimierungen führen zu geringeren Ausschussraten, kürzeren Produktionszyklen und einer insgesamt effizienteren Fertigung.
Wie wirkt sich die Integration von generativer KI auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen besonders aus? Und woher kommt das KI-Know-how?
Von in- oder extern?
Die Integration von generativer KI kann die Wettbewerbsfähigkeit erheblich steigern, indem sie Produktionsprozesse optimiert und flexibilisiert, aber auch die Innovationsprozesse beschleunigt. Durch die Automatisierung und dynamische Anpassung von Produktionsparametern verkürzen sich die Rüstzeiten, und die Produktqualität wird konstant hoch gehalten, was zu einer Erhöhung der Stückzahlen führt. Diese Effizienzgewinne ermöglichen es Unternehmen, Kosten zu senken und wettbewerbsfähigere Preise anzubieten, was ihnen einen entscheidenden Vorteil auf dem globalen Markt verschafft. Es ist allerdings zu beachten, dass diese Verfahren ja im Grundsatz allen Unternehmen zur Verfügung stehen – und dass sogar Unternehmen mit schwächeren Vorkenntnissen oder weniger gut geschulten Mitarbeitern damit sehr viel schneller sehr gute Ergebnisse erreichen können. Durch die Existenz dieser Verfahren steigt potenziell die Konkurrenz.
Das KI-Know-how in der Fertigung entsteht oft aus einer Mischung von internem und externem Wissen. Unternehmen, die bereits stark in Forschung und Entwicklung investieren, bauen intern Kompetenzzentren auf, während andere auf externe Experten und spezialisierte KI-Dienstleister zurückgreifen. Die Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungseinrichtungen spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle, um an der Spitze der technologischen Entwicklungen zu bleiben.
Werden sich Fertigungsprozesse und Arbeitsplätze durch den KI-Vormarsch grundlegend verändern?
Ja, vor allem durch Cobots, die sich – unterstützt durch generative KI – flexibel an unterschiedliche Aufgaben anpassen können und mit Menschen in einer symbiotischen Arbeitsumgebung interagieren. Dies führt zu einer höheren Produktivität, einer besseren Ergonomie am Arbeitsplatz und einer Reduzierung von Fehlern, da KI-gesteuerte Cobots in Echtzeit lernen und optimieren können.
Die rasante Entwicklung der KI stellt die Art und Weise, wie wir in Zukunft in Teams interagieren, vor eine tiefgreifende Transformation. KI ist nicht nur ein Werkzeug zur Automatisierung einer Vielzahl von Prozessen, sondern ein wesentlicher Treiber für neue Kooperationsmodelle, die weit über das hinausgehen, was wir bisher kannten. Hybride Teams, die menschliche und künstliche Intelligenz vereinen, bieten eine außergewöhnliche Chance, die Grenzen dessen, was wir gemeinsam erreichen können, neu zu definieren.
„Der Vormarsch von KI wird die Fertigungsprozesse grundlegend verändern, insbesondere durch den vermehrten Einsatz von kollaborativen Robotern, die eng mit menschlichen Arbeitern zusammenarbeiten.“
Prof. Dr. Sabina Jeschke
Ein KI-Fehler legt die Fertigung lahm – wer haftet?
Die Frage der Haftung bei KI-basierten Systemen ist derzeit – in ALLEN Bereichen, nicht nur in der Fertigung – ein komplexes und dynamisches Feld, das sowohl technologische als auch rechtliche Aspekte umfasst.
Grundsätzlich hängt die Haftung im Falle eines KI-Fehlers davon ab, wo der Fehler aufgetreten ist und wer die Kontrolle über das System hat. Wenn der Fehler beispielsweise auf eine unsachgemäße Nutzung oder eine falsche Konfiguration des KI-Systems durch das Unternehmen zurückzuführen ist, könnte das Unternehmen als Betreiber haftbar gemacht werden. Wenn der Fehler jedoch auf einen Defekt in der KI-Software oder auf eine Fehlfunktion zurückzuführen ist, die vom Hersteller des Systems zu verantworten ist, dann würde die Haftung auf den Hersteller übergehen, ähnlich wie bei einem Fahrzeug mit einem technischen Defekt.
In der Praxis wird die Haftung oft durch Verträge geregelt, die genau festlegen, wer in welchen Fällen verantwortlich ist. In einigen Jurisdiktionen wird auch über neue Gesetze diskutiert, die speziell für KI-Systeme zu entwickeln sind, um klare Haftungsregelungen zu schaffen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in den kommenden Jahren weiterentwickeln werden, um den Herausforderungen durch KI gerecht zu werden.
Welche regulatorischen Hürden bestehen weltweit für die Anwendung von generativer KI in der Fertigung?
Weltweit gibt es mehrere regulatorische Hürden für die Anwendung von generativer KI in der Fertigung, die Unternehmen beachten müssen. Im Bereich Datenschutz müssen Unternehmen sicherstellen, dass alle für das Training der Systeme gesammelten und verarbeiteten Daten den geltenden Datenschutzgesetzen, wie der Datenschutzgrundverordnung in der EU, entsprechen und vor unbefugtem Zugriff geschützt sind. Bei der Produkthaftung stellt sich die Frage, wer haftet, wenn durch eine KI-Entscheidung fehlerhafte Produkte entstehen, was klare rechtliche Rahmenbedingungen erfordert. Sicherheitsstandards des Produkts verlangen, dass die von KI mitgestalteten Produkte alle gesetzlichen Sicherheitsvorschriften erfüllen, um Verbraucher zu schützen. Auch die Sicherheitsstandards des Produktionsprozesses, einschließlich des Arbeitsschutzes, sind zu betrachten, wobei KI-Systeme so gestaltet sein müssen, dass sie keine Gefahren für die Beschäftigten darstellen. In Bezug auf geistiges Eigentum und Urheberrecht gibt es Herausforderungen, wenn KI eigene Designs erstellt, da die rechtliche Zuweisung von Eigentumsrechten nicht immer klar ist. Schließlich müssen auch branchenspezifische Regulierungen beachtet werden, die je nach Industrie, wie etwa der Automobil- oder Pharmaindustrie, zusätzliche Anforderungen an die Nutzung von KI stellen können.
Welche Kosten sind mit der Implementierung von generativer KI in der Fertigung verbunden?
Die Implementierung von KI in der Fertigung ist mit erheblichen Investitionen verbunden, die sich jedoch langfristig auszahlen werden. Sie müssen für den Einzelfall erhoben werden, es gibt keine „Faustregel“. Zu den Kosten gehören die Anschaffung der erforderlichen Hardware, die Entwicklung oder Anpassung von Software, die Integration in bestehende Systeme sowie die Schulung der Mitarbeiter. Zusätzlich fallen laufende Kosten für Wartung, Updates und Datenmanagement an. Trotz dieser Anfangsinvestitionen können Unternehmen durch höhere Effizienz, reduzierte Fehlerquoten und verbesserte Produktqualität signifikante Einsparungen und Wettbewerbsvorteile erzielen, die die Investition rechtfertigen.
Stichwort Nachhaltigkeit: Kann KI im Bereich der Fertigung der Natur Gutes tun?
Ja, und nicht nur im Bereich der Fertigung. KI-Systeme insgesamt können etwa positive Beiträge zur Nachhaltigkeit leisten, indem sie Prozesse optimieren und Ressourcen effizienter nutzen. KI-Systeme können beispielsweise den Energieverbrauch minimieren, indem sie Maschinen präzise steuern und Produktionsparameter in Echtzeit anpassen. Darüber hinaus kann KI helfen, Abfall zu reduzieren, indem sie die Materialnutzung optimiert und Ausschuss verringert. Durch solche Maßnahmen kann die Fertigungsindustrie nicht nur ihre ökologischen Fußabdrücke verkleinern, sondern auch den Druck auf natürliche Ressourcen verringern, was langfristig zu einer nachhaltigeren Produktion führt.
Wie lange dauert es noch, bis die KI vom Lehrling zum Meister wird?
Es ist richtig, dass – trotz der beeindruckenden schnellen Fortschritte insbesondere in der generativen KI – die Verfahren noch immer „early stage“ sind. Es ist schwer, eine genaue Zeitspanne zu nennen, aber ich erwarte, dass KI in den nächsten drei bis fünf Jahren in vielen Bereichen der Fertigung vom „Lehrling“ zum „Meister“ aufsteigen wird. Die Technologie entwickelt sich rasant, und mit zunehmender Reife und Integration in industrielle Prozesse wird KI immer autonomer und leistungsfähiger. Allerdings wird die volle Meisterschaft nicht nur von technologischen Fortschritten abhängen, sondern auch davon, wie gut Menschen und Maschinen zusammenarbeiten können und wie schnell Unternehmen bereit sind, sich auf diese Veränderungen einzulassen.
Die Lehrling-Meister-Frage ist besonders wichtig, weil sie verdeutlicht, dass es nicht ausreicht zu wissen, was KI heute kann oder (noch?) nicht kann. Für eine nachhaltige KI-Gesamtstrategie eines Unternehmens ist es entscheidend, dass die Unternehmensführung einschätzen kann, was KI in Zukunft können wird und wann.