Innovationsboost für grüne Energien
Solarteppich zwischen Bahnschienen
Beim Ausbau der Solarenergie geht es weltweit mit Siebenmeilenstiefeln voran. Laut dem „Global PV Outlook Report“ werden im Jahr 2025 neue Photovoltaikanlagen mit einer Stromerzeugungskapazität von rund 630 Gigawatt installiert, 2030 soll der Zuwachs schon 880 Gigawatt betragen. Allerdings existieren nach Ansicht der Analysten auch weiterhin große ungenutzte Kapazitäten.
Das Schweizer Start-up Sun-Ways will einen Teil dieses Potenzials heben, indem es Photovoltaik-Module wie einen Teppich zwischen Bahnschienen ausrollt. Entweder manuell oder automatisch. Die neu entwickelte Technologie soll den bisher ungenutzten Raum zwischen den Schienen nutzen, ohne den Zugverkehr zu stören.
Die Spezialmaschine von Sun-Ways-Partner Scheuchzer AG, einem Pionier in der Bahninstandhaltung, kann bis zu 1.000 Quadratmeter Solarmodule pro Tag verlegen. Der Clou: Die Solaranlage ist schnell zu deinstallieren. So lässt sie sich komplett oder teilweise abbauen, um Wartungsarbeiten durchzuführen. Jedes Modul ist etwa 1 mal 1,7 Meter groß.
Das Schweizer Bundesamt für Verkehr hat im Herbst 2024 grünes Licht für die Sun-Ways-Pläne gegeben. In einem Pilotprojekt sollen nun ab dem Frühjahr 2025 insgesamt 48 Sonnenkollektoren auf einem Gleisstück von 100 Metern Länge im Kanton Neuchâtel verlegt werden. Das System wird mit dem lokalen Stromnetz verbunden. Bis zu 16.000 Kilowattstunden pro Jahr soll die Anlage erzeugen, so viel wie ungefähr acht Zwei-Personen-Haushalte pro Jahr verbrauchen.
Sun-Ways rechnet allein in der Schweiz mit ihren rund 5.000 Kilometern Gleisanlagen mit einem Potenzial von 1 Terawattstunde Strom im Jahr, genug für die Versorgung von 300.000 Haushalten. Die Solarpioniere haben ehrgeizige Pläne über die Schweiz hinaus. Mitbegründer Baptiste Daichert skizziert das Potenzial: „Es gibt weltweit über eine Million Kilometer Eisenbahnstrecken. Wir glauben, dass 50 Prozent dieser Eisenbahnen mit unserem System ausgestattet werden könnten.“
Derzeit verhandelt das Unternehmen mit der französischen Eisenbahn SNCF sowie mit anderen Eisenbahnunternehmen in Spanien, Rumänien und Südkorea. Außerdem finden erste Gespräche mit Unternehmen in China, Thailand, Australien und den Vereinigten Staaten statt.
Herausforderungen
Eisenbahnverbände äußerten Bedenken hinsichtlich der Haltbarkeit der Solarmodule, mögliche Mikrorisse könnten auftreten. Einige Kritiker befürchten zudem, dass Reflexionen die Lokführer ablenken könnten. Als Reaktion darauf verbesserte Sun-Ways seine Module mit einer entspiegelten Spezialfolie und verstärkten Materialien.
Andere Skeptiker wiesen darauf hin, dass Schnee und Eis die Leistung der Module beeinträchtigen könnten. Sun-Ways arbeitet daher schon an einem System, um gefrorenen Niederschlag schmelzen zu können, sowie an einem Bürstensystem, das am Ende von Zügen angebracht werden kann, um die Panels von Dreck zu reinigen.
Wind x Wellen x Sonne = Energie³
Wenn der Wind nicht weht, scheint womöglich die Sonne. Aber was ist nachts? Das Hightech-Energiefloß des schwedischen Start-ups NoviOcean nimmt sich dieses Problems an. Denn in einer windstillen Nacht bewegt sich immer noch das Meer – und sorgt für Energie.
Es ist die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau, die NoviOcean entwickelt hat, den NoviOcean Hybrid Energy Converter (NHEC). Einen schwimmenden Körper, 38 Meter lang, 9 Meter breit, 4 Meter hoch und 140 Tonnen schwer, der die hydrodynamische Energie der Meereswellen aufnehmen kann. Der NHEC wandelt das ständige Auf und Ab der Wellen in elektrischen Strom um. Darüber hinaus befinden sich auf dem Floß sechs Windturbinen und Photovoltaikpanels, die zusätzlich Energie produzieren können.
Energie der Wellen nutzen
Die Stromerzeugung per Wellenenergie funktioniert über einen großen Zylinder, der unter dem Floß angebracht und über einen Kolben und Seile mit dem Meeresboden verbunden ist. Heben die Wellen das Floß an, wird Wasser durch eine Turbine gepumpt. Bis zu 10.000 Pumpbewegungen am Tag sollen laut NoviOcean-CEO Jan Skjoldhammer möglich sein. Das Unternehmen erwartet eine Energieleistung von 65 Prozent aus der Nutzung der Meereswellen, 30 Prozent aus den sechs Windturbinen sowie 5 Prozent aus den Solarmodulen.
Kombination mit Offshore-Windparks
Jeder NHEC soll bis zu 1 MW elektrische Energie liefern können, rechnet das Unternehmen vor. Auf einem Quadratkilometer könnten 15 solcher Schwimmkörper installiert werden. „NoviOcean“ will seine NHECs in Kombination mit bestehenden Offshore-Windparks aufbauen. Laut dem Unternehmen könnte dadurch auf einem Quadratkilometer Meeresoberfläche bis zu 25 MW elektrische Energie erzeugt werden. Das brächte eine höhere Energiedichte und geringere Kosten, weil die Kosten für das Seegebiet und das Kabel an Land geteilt werden könnten.
Herausforderungen
Herausfordernd für einen langfristigen Betrieb sind die rauen Bedingungen auf hoher See. Ebenso weitgehend ungeklärt ist die Frage, wie aufwendig die Wartung der NEHCs ist. Bisher hat NoviOcean zahlreiche Tests mit einem verkleinerten Modell unternommen. Aktuell wird an einem NEHC in Originalgröße gebaut. Sollte alles nach Plan verlaufen, wäre ein kommerzieller Einsatz im Jahr 2030 möglich.
Betonkugeln als Stromspeicher
Batterien können Strom speichern, hohle Betonkugeln auch. Das hat das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) schon vor Jahren gezeigt. Jetzt wird das System in größerem Maßstab in Kalifornien getestet.
Das Prinzip ist ähnlich wie das eines Pumpspeicher-Kraftwerks: Gibt es überschüssigen Strom im Netz, werden die Kugeln, die sich vor der Küste auf dem Meeresgrund befinden, von Pumpturbinen leergesaugt. Es entsteht ein Vakuum. Um die Energie zurückzugewinnen, strömt Wasser mit hohem Druck zurück in die Kugeln, treibt dabei die Pumpturbinen an und erzeugt Strom. Ein Unterwasserkabel überträgt diesen an Land.
Die Forschenden des IEE bereiten derzeit mit Partnern einen Testlauf vor der kalifornischen Küste vor. Sie werden dort im Projekt StEnSea in 500 bis 600 Metern Tiefe eine hohle, 400 Tonnen schwere Betonkugel mit neun Metern Durchmesser verankern. Die Leistung dieses Prototypen, der im 3D-Druckverfahren hergestellt wird, beträgt 0,5 Megawatt, die Kapazität 0,4 Megawattstunden.
Als Standort des Speichers wurde ein küstennahes Gebiet vor Long Beach bei Los Angeles ausgewählt. Spätestens Ende 2026 soll die Anlage in Betrieb gehen. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Vorhaben mit knapp 3,4 Millionen Euro, das US-amerikanische Department of Energy mit rund vier Millionen US-Dollar.
„Mit der globalen Energiewende wird der Speicherbedarf in den nächsten Jahren enorm zunehmen. Mit dem Kugelspeicher haben wir eine kostengünstige Technologie entwickelt, die sich vor allem für das Speichern über kurze bis mittlere Zeiträume bestens eignet.“
Dr. Bernhard Ernst, Senior Projekt Manager beim Fraunhofer IEE
Erfolgreicher Feldtest im Bodensee
In einem Feldversuch mit einer Drei-Meter-Kugel im Bodensee haben Forschende des IEE zusammen mit Partnern bereits 2016 nachgewiesen, dass das Konzept mit den Betonkugeln gut funktioniert.
Kapazität und Leistung der Kugelspeicher hängen vor allem von zwei Faktoren ab: vom Volumen der Kugeln sowie von der Wassersäule, die auf ihnen lastet. Die Fachleute des Fraunhofer IEE haben errechnet, dass Wassertiefen von 600 bis 800 Metern aus wirtschaftlicher Perspektive ideale Standorte sind. Denn dort stehen Parameter wie der Druck, das nötige Kugelgewicht und die erforderliche Wandstärke in optimalem Verhältnis zueinander. Zudem kann man in dieser Tiefe noch konventionelle Unterwasser-Motorpumpen einsetzen. Auch ist es hier nicht nötig, hochfesten Spezialbeton zu verwenden.
Mögliche Standorte für StEnSea-Kugelspeicher in dieser Wassertiefe gibt es mehr als genug, wie eine Analyse der küstennahen Meeresgebiete zeigt. Dabei haben die Fachleute des IEE Parameter wie die Bodenneigung, Strömung, Sedimentverschiebung oder die Entfernung zum Land berücksichtigt. Vor Norwegen zum Beispiel, Portugal, der US-amerikanischen West- und Ostküste, Brasilien oder Japan könnten die Kugelspeicher in großer Zahl installiert werden. Ebenso eignet sich die Technologie für tiefe natürliche oder künstliche Seen, beispielsweise für geflutete Tagebaue.
Riesiges weltweites Potenzial
Das globale Speicherpotenzial dieser Technologie liegt nach Berechnungen der Fraunhofer-Forschenden bei rund 820.000 Gigawattstunden. An den zehn besten europäischen Standorten sind es immer noch 166.000 Gigawattstunden. Zum Vergleich: Die Kapazität der bestehenden deutschen Pumpspeicher-Kraftwerke an Land beträgt gerade einmal knapp 40 Gigawattstunden.