E wie Extrem

Von Björn Carstens
Welches Potenzial in elektrischen Antrieben steckt, unterstrich ein studentisches Rennteam von der Schaeffler-Partneruniversität Ohio State mit einem batteriebetriebenen Highspeed-Motorrad. Doch der Weg zu vier Tempo-Weltrekorden war holpriger als erwartet …
© Venturi-Group

Es blitzt und donnert über den „Bonneville Salt Flats“. Die endlosen weißen Flächen der Salzwüste im US-Bundesstaat Utah sind ein klassischer Austragungsort von Highspeed-Events. Die Ohio State University (OSU) will hier mit einem speziellen Elektro-Motorrad neue Bestmarken aufstellen. Doch das Gewitter legt die Elektrik lahm, Überspannungsschäden an Ladegerät, Motor und Batterie.

Eine Extremsituation, die das studentische Rennteam Buckeye Current extrem gut meistert – schließlich ist man vom Fach. Die OSU ist eine der größten Wissensschmieden des Landes und ein Kompetenzzentrum für Fahrzeugtechnik und batterieelektrische Antriebe. Genau deswegen hat Schaeffler hier auch einen SHARE Hub mit Forschungsschwerpunkt Festkörperbatterien installiert.

Tatsächlich schafft es das Team, das mit der monegassischen Venturi-Group zusammen entwickelte E-Motorrad RW-5 Voxan wieder einsatzbereit an die Startlinie zu bringen.

„Es war großartig zu sehen, dass das Team nie aufgegeben hat, und am nächsten Tag hat sich alles ausgezahlt.“

Teamsprecherin Laura Friedmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Center for Automotive Research (CAR) der Universität

Der französische Rennfahrer Louis-Marie Blondel steuert die RW-5 Voxan bei der anschließenden Rekordfahrt, bei der er vier Bestmarken aufstellt.

  • 271,515 km/h
    erreichte die RW-5 Voxan in unverkleideter Form bei einem fliegenden Start über einen Kilometer im Schnitt, 271,323 km/h auf einer Meile.
  • 289,787 km/h
    waren es mit einer stromlinienförmigen Version mit montierter aerodynamischer Verkleidung über einen Kilometer, bei einem 1-Meilen-Flugstart 289,738 km/h.
  • Der französische Rennfahrer Louis-Marie Blondel steuerte die RW-5 Voxan
    Der französische Rennfahrer Louis-Marie Blondel steuerte die RW-5 Voxan © Venturi-Group
  • Die Maschine in unverkleideter Form ...
    Die Maschine in unverkleideter Form ... © Venturi-Group
  • ... und in einer aerodynamischen Version. Studenten verschiedener Fachrichtungen ...
    ... und in einer aerodynamischen Version. Studenten verschiedener Fachrichtungen hatten die Maschine entwickelt. © Venturi-Group

„Ich könnte nicht stolzer auf die Studenten sein. Ich habe ihnen gesagt, dass sie als Studentenclub eingestiegen und als Racing-Team ausgeschieden sind.“

David Cooke, leitender Direktor des CAR
Die Technologie hinter dem Rekord-Motorrad

Das Herzstück der RW-5 Voxan ist ein elektrischer Antriebsstrang mit einem Lithium-Ionen-Akkupack in Verbindung mit einem flüssigkeitsgekühlten 80-kW-Permanentmagnet-Axialflussmotor. Neben der Leistungsfähigkeit stand die Gewichtsreduktion ganz oben im Entwicklungslastenheft. Das Ziel wurde mit unterschreiten der 150-Kilo-Marke erreicht.

  • 180 Nm
    Drehmoment liefert das System.
  • 107 PS
    bringt die RW-5 Voxan auf die Straße.
  • 1,68 m (66,1 Zoll)
    beträgt der Radstand der Maschine.
  • 2,57 m (101,1 Zoll)
    ist das Rekord-Motorrad insgesamt lang.

Bereits seit 2009 arbeiten die Ohio State University und die Venturi-Gruppe gemeinsam an der Entwicklung und Herstellung von Elektromotorrädern für Rekordfahrten. Große Schlagzeilen machte 2021 die batterieelektrische Voxan Wattman, die damals vom mehrfachen Weltmeister Max Biaggi mit einer durchschnittlichen Höchstgeschwindigkeit von über 455 km/h gelenkt wurde. Die Maschine war jedoch mit mehr als 300 Kilo wesentlich schwerer als das aktuelle Modell und wurde mit Trockeneis gekühlt.

Mit dem Leichtgewicht-Motorrad RW-5 Voxan will das OSU-Team Buckeye Current aber auch noch nachlegen. Das nächste Ziel: die 320 km/h-Marke knacken – um noch deutlicher zu zeigen, welches Potenzial in elektrischen Antrieben steckt.

Weitere Motorrad-Temporekorde

Rocky Robinson brach laut Guinness World Records 2010 den Landgeschwindigkeitsrekord für Motorräder in den USA. Ebenfalls auf den Bonneville Salt Flats in Utah erreichte er mit seinem Top Oil-Ack Attack eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 605,697 km/h über einen Kilometer. In einem einzelnen Lauf schaffte er sogar 634 km/h. Die Maschine wurde von zwei Suzuki Hayabusa Reihenvierzylinder-Motoren mit einem 30-psi-Turbolader angetrieben und erreicht eine maximale Motordrehzahl von 12.000 Umdrehungen pro Minute, was ihr eine Leistung von 700 bis 900 PS verleiht. Das Motorrad ist 5,99 Meter lang, 76,2 Zentimeter hoch und wiegt 748,42 kg.

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634 km/h in der Spitze erreichte die Top Oil-Ack Attack von Rocky Robinson 2010© ZVG

Mit einem mit Solarstrom betriebenen Elektromotorrad hat der E-Bike-Hersteller Lightning Motorcycles 2012 einen Tempo-Weltrekord für in Serie gebaute Elektromotorräder aufgestellt: 304 km/h. Das Rekord-Fahrzeug, das mehr wog als die RW-5 Voxan, verfügt selbst nicht über Solarzellen zur Energiegewinnung. Zum Aufladen der Akkus wurde ein mobiles System verwendet, bei dem Solarpanels eine 48-kWh-Batterie laden. Das Motorrad entsprach bis auf die aerodynamische Verkleidung der Serienversion des Lightning SuperBike. Es wird von einem 125 kW starken, flüssigkeitsgekühlten Motor angetrieben.

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Rekordfahrt mit Solarstrom: Die Maschine von „Lightning Motorcycles" schaffte 2012 einen Topspeed von 304 km/h© Lightning Motorcycles