Digitale Renaissance eines Meisterwerks
© HTC Vive Arts and Emissive
September 2019

Digitale Renaissance eines Meisterwerks

Von Björn Carstens
Kunst verschmilzt mit künstlichen Welten. Apps und Virtual-Reality-Brillen lassen Besucher in klassische Gemälde eintauchen, tote Künstler werden mittels künstlicher Intelligenz (KI) lebendig.

Jahrhundertealte Ereignisse verbinden sich mit der Jetzt-Zeit zu einem großen Ganzen. Spielend leicht reisen Kunstfreunde in die Vergangenheit. Eine in der Form außergewöhnlich futuristische VR-Erfahrung erleben sie ab Oktober im altehrwürdigen Pariser Louvre. „Mona Lisa: Beyond the Glass“ heißt das Projekt, bei dem das Publikum so nah an das berühmteste Lächeln der Welt herankommt wie noch nie. Besucher, vielleicht besser Anwender, interagieren mit dem Gemälde in einem virtuellen Raum. Mittels der VR-Brille HTC Vive erhalten sie einen ungewohnten Blick auf da Vincis „La Gioconda“.

​Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar

Paul Klee

User erkennen per Lupe die unterschiedlichen Techniken und Farbschichten, die der Meister aufgetragen hat. Besitzer einer solchen Brille können von überall auf der Welt auf diese besondere Mona-Lisa-Experience zugreifen. Ähnliches ­erfahren Kunstliebhaber, wenn sie per „Rem­brandt Reality App“ ins Jahr 1632 zurückreisen und ins Gemälde „Die Anatomie des Dr. Tulp“ eintreten. Mithilfe einer Augmented-Reality-Projektion steht man plötzlich im gleichen Raum wie die Ärzte. Virtuelle Erlebnisse, die vermutlich bald Standard sind in den Museen der Zukunft.

Meilensteine der KI in der Kunst
  • 2004
    Die Ampel hören: Der farbenblinde Cyborg-Künstler Neil Harbisson lässt sich eine Farbantenne in den Kopf einpflanzen, die die Wellenlänge des Lichts erkennt. Beim Ampel-Rot hört Harbisson die Note A.
  • 2017
    VR-Reise ins Mittelalter: Mit der App „Historium VR“ begeben sich Kunstgeschichtler quasi live in düstere Zeiten der belgischen Stadt Brügge zurück.
  • 2018
    KI druckt Kunst: Ein französisches Künstlerkollektiv programmiert zwei Algorithmen, die ergänzend arbeiten. Der eine malt Bilder auf Basis bekannter Porträts, der andere korrigiert diese, sofern er die Arbeit einer Maschine dahinter vermutet. Was ersteren immer besser werden lässt. Das Bild des „Künstlerduos“ mit der Signatur „min G max D Ex[log(D(x))] Ez[log(1-D(G(z)))]“ wurde bei Christie’s als erstes KI-Gemälde überhaupt für circa 380.000 Euro versteigert.
  • 2019
    Dalís Antlitz: Eine KI in einem Museum in Florida lässt die Mimik eines Schauspielers mit dem Antlitz Salvador Dalís verschmelzen. Fast surrealer als Dalís Werke.
  • 2019
    Algorithmen im Atelier: Ai-Da –eine humanoide Robotergestalt der Firma Engineered Arts – malt, was sie mit ihren Kameraaugen scannt. Lohn: ihre erste Ausstellung in diesem Sommer.