Wärme, wem Wärme gebührt
Irgendwie haben wir uns daran gewöhnt: Den Temperaturregler unseres Autos auf 20 Grad stellen, den Rest übernimmt die Klimaautomatik. Egal ob draußen eisiger Winter herrscht oder subtropische Schwüle – im Innenraum bleibt es angenehm. In vielen Autos können sich Fahrer und Beifahrer sogar unterschiedliche Gradzahlen einstellen – ganz nach individuellem Empfinden. Doch nicht nur die Insassen haben ihre individuelle Wohlfühltemperatur. Auch die Technik agiert am effizientesten in einem speziellen Temperaturfenster. Bei zu großen Abweichungen drohen sogar Schäden. Da die optimalen Temperaturfenster je nach Baugruppe sehr unterschiedlich sein können, gilt es, Wärmeenergie geschickt zu verteilen oder zu speichern. Ein Job für das Thermomanagement.
Mit dem ersten Thermomanagementmodul für die Anwendung in einem ottomotorischen Antriebsstrang ist Schaeffler seit 2011 in Serie, und zwar im 1,8-l-TFSI-Motor von Audi. Allein durch den Einsatz dieser Schaeffler-Technologie konnten die CO2-Emissionen der entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge um bis zu vier Prozent gesenkt werden. Seitdem wird das System ständig weiterentwickelt, vor allem um den deutlich komplexeren Anforderungen elektrifizierter Antriebe gerecht zu werden.
Aktuelle Hybridfahrzeuge verfügen über bis zu drei auf unterschiedlichen Temperaturniveaus arbeitende Kühlkreisläufe: für den Verbrennungsmotor, den Elektroantrieb samt Leistungselektronik und die Batterie. Gleichwohl sind diese Kreisläufe über Wärmetauscher miteinander verbunden. Die einzelnen Komponenten sind nicht mehr auf feste Rollen als Wärmesenken und -quellen festgelegt, sondern können diese Rollen durchaus wechseln. Die gestiegene Komplexität erforderte auch einen Wechsel von einem zentralen auf ein dezentrales Thermomanagement bei elektrifizierten Antriebssträngen.
Thermomanagement bei E-Autos nochmals wichtiger
Da die reichlich vorhandene Abwärme des Verbrennungsmotors als ergiebige Wärmequelle bei rein elektrischen Fahrzeugen wegfällt, ist eine Optimierung des energetischen Haushalts noch entscheidender. Das Ziel der Entwicklungsingenieure ist es, eine maximale Schnittmenge aus hoher Effizienz des Antriebsstrangs sowie Sicherstellung von Komfortfunktionen und optimalem Bauteilschutz zu erreichen – mithilfe eines ausgeklügelten Thermomanagements.
Das damit dirigierte Zusammenspiel der Kühl- und Kältekreisläufe ist im E-Auto umso wichtiger, da es einen signifikant höheren Anteil an der gesamten Fahrzeugeffizienz hat als bei einem Verbrenner oder Hybrid. Bei eisigen Wintertagen und -nächten, um ein besonders herausforderndes Thema anzusprechen, verbraucht die Heizung in einem E-Auto ähnlich viel Energie, um im Innenraum eine angenehme Temperatur zu erzeugen, wie das Fahrzeug für den Vortrieb an sich. Je effizienter die Heizung ohnehin vorhandene Abwärme anderer Aggregate nutzen kann, desto höher ist die Reichweite. Alles, was an zusätzlichen Gradzahlen benötigt wird, liefert eine reversible Wärmepumpe im Kältekreislauf. Sie kann die von der Antriebsbatterie abgezweigte elektrische Energie immerhin bis zu verfünffachen und je nach Bedarf nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Kühlen nutzen.
Batterie schwächelt bei Fieber und Unterkühlung
Im Gegensatz zum konventionell angetriebenen Auto, bei dem der Verbrennungsmotor zentrales Element im Antriebsstrang ist, rückt beim E-Auto die Batterie in den Fokus – auch des Thermomanagements. Der Stromspeicher mit seinen flüssigen Elektrolyten ist sehr temperatursensibel und hat daher meist einen eigenen Kühlkreislauf. Jeder kennt es von seinem Handy: Bei Kälte geht die Akkuleistung in die Knie, weil sich der Innenwiderstand erhöht. Gleiches gilt beim E-Auto, dessen Energiespeicher im Grunde nichts anderes ist als ein Handy-Akku XXL. Die reduzierte nutzbare Kapazität ist aber nur ein Problem. Hohe Ladeströme bei niedrigen Temperaturen unter null Grad können den Akku schädigen, weil die Gefahr besteht, dass die Lithium-Ionen – statt sich wie beim Laden erwünscht in die Anode einzulagern – metallisches Lithium bilden. Plating heißt der gefürchtete Vorgang, der zu Kurzschlüssen oder gar Bränden führen kann. Ein vorausschauendes Thermomanagement bringt den Energiespeicher daher vor dem Ladevorgang in ein „gesundes“ Temperaturfenster.
Die hohe Fertigungs- und Technologiekompetenz von Schaeffler über alle Komponenten elektrischer Antriebssysteme ist ein Schlüssel für technisch führende und zugleich wirtschaftliche Produkte
Dr. Jochen Schröder,
Leiter des Unternehmensbereichs E-Mobilität bei Schaeffler
Das ideale Temperaturfenster eines Lithium-Ionen-Akkus liegt bei 20 bis 40 Grad. Wird der Stromspeicher heißer, verliert er nicht nur Energie, er altert auch. Da ein normaler Kühlkreislauf bei hohen Außentemperaturen schnell überfordert ist, lässt sich ein Kältekreislauf mit Wärmepumpe zuschalten, der nach dem gleichen Prinzip wie bei der Klimaanlage für den Innenraum arbeitet. Das hohe Gewicht einer Antriebsbatterie von mehreren 100 Kilogramm erschwert es, ein optimales Temperaturfenster zu erreichen. Eine umfangreiche Vernetzung des Thermomanagements mit der Fahrzeugsteuerung hilft hier, mögliche Belastungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Lässt sich der Fahrer beispielsweise per GPS zu einer Schnellladesäule navigieren, kann das System den Akku bereits im Vorfeld in den idealen Temperaturbereich bringen, um die maximale Ladeleistung aufnehmen zu können. Auf je mehr Daten die prädiktive Regelung zurückgreifen kann, desto wirksamer kann sie agieren. Eine entsprechende Rechenleistung wird daher zu einer immer wichtigeren Säule eines effizienten Thermomanagements.
Auch E-Motor braucht Kühlung
Auch wenn die Verlustleistung eines Elektromotors deutlich geringer ist als bei einer Verbrennungsmaschine, wird auch er heiß – durch Reibung und Stromfluss. Wird er zu heiß, kann es zu Schäden zum Beispiel an der Wickelung kommen. Fast alle elektrischen Antriebsmotoren werden daher mittlerweile mit Flüssigkeiten gekühlt. Gleiches gilt für die Leistungselektronik, die den komplexen Stromfluss eines E-Autos steuert. Der vom Thermomanagement regulierte Kühlkreislauf führt diese Wärmeenergie ab und leitet sie zu der Stelle im Fahrzeug, wo sie benötigt wird.
Das Thermomanagement von Schaeffler steuert das komplexe Zusammenspiel aus Kälte- und Kühlkreislauf über ein hochintegriertes Kühlungsmodul bestehend aus Pumpen, Ventilen, dem Kühlmittelbehälter mit eigener Steuerung, ergänzt durch dezentrale, smarte Ventile, die zentral koordiniert werden. Anhand der herrschenden Temperaturen und des Betriebszustands des Fahrzeugs steuert die zentrale Elektronik die Aktuatoren und Pumpen – und so kontinuierlich die Ströme der Wärmeenergie. Man versteht, warum Jochen Schröder, Leiter der E-Mobilität bei Schaeffler, sagt: „Das Wärmemanagement ist der heimliche Star, wenn es darum geht, Fahrzeuge noch effizienter und verbraucherfreundlicher zu machen.“
Das Thermomanagementsystem von Schaeffler
Effizientes Heizen, besonders in Verbindung mit einer Wärmepumpe, ist für den Innenraum und die Batterie eines Elektroautos bei Kaltstarts ausschlaggebend, hohe Kühlleistungen sind bei heißen Außentemperaturen und beim Schnellladen entscheidend. Das neue integrierte Thermomanagementsystem von Schaeffler verschaltet als zentrale Regeleinheit die Kreisläufe für Kühl- und Kältemittel. Außerdem nutzt es die Abwärme aus dem elektrischen Antrieb effizient zur Optimierung der Energiebilanz. Das Thermomanagementsystem integriert zwei elektrische Wasserpumpen, die zentrale Elektronikeinheit für die Pumpen und Ventile sowie Sensorik und Verdampfer („Chiller“) als Kältekreisschnittstelle. Die kompakte Bauweise verringert den Raumbedarf im Vergleich zu herkömmlichen, nicht integrierten Systemen um bis zu 60 Prozent. Gleichzeitig legt das neue Thermomanagementsystem von Schaeffler mit der hydraulisch optimierten Auslegung den Grundstein für die hohe Gesamteffizienz.