© Svetlana Kuzmina (iStock)
Mai 2024

Tschüss, Hydraulik!

Von Carsten Paulun
Humanoide Roboter wie die neueste Atlas-Version von Boston Dynamics oder der Unitree H1 werden immer stärker, gelenkiger und agiler. Das liegt auch an ihren „Muskeln“. In den mechanischen Armen und Beinen arbeiten zunehmend elektrische Antriebe statt wie bisher hydraulische oder pneumatische Systeme. Ein Trend, der auch bei anderen Industrieanwendungen deutlich erkennbar ist.

Mehr Kundennutzen, mehr Effizienz, mehr Nachhaltigkeit – die gleichen Gründe, die bei Fahrzeugantrieben für eine Elektrifizierung sprechen, sorgen auch dafür, dass in der industriellen Automatisierung, der Medizintechnik und inzwischen auch in verschiedensten mobilen Maschinen hydraulische und pneumatische Antriebe durch elektrische Aktoren ersetzt werden – und eben auch bei humanoiden Robotern wie Atlas oder H1.

Unitree H1 Robot
Der elektrisch angetriebene Unitree H1 misst 180 cm und wiegt 47 kg. Sein Akku hat eine Kapazität von 864 Wh, in etwa so viel wie ein Top-E-Bike-Akku. Er läuft aktuell 12 km/h schnell, was einen neuen Spitzenwert für humanoide Roboter darstellt© Unitree
Weniger anfällig, weniger Wartung, mehr Präzision

Keep it simple: Im Vergleich zu hydraulischen oder pneumatischen Systemen kann bei elektrisch angetriebener Aktorik auf zusätzliche Komponenten wie Pumpen, Schläuche, Druck- und Ölbehälter verzichtet werden. Das vereinfacht den mitunter ohnehin komplexen Aufbau nicht nur von Robotern, sondern auch von Industriemaschinen. Und die elektrischen Antriebe reduzieren die Anfälligkeit der Maschinen für Störungen und den Wartungsaufwand. Das zeigt auch ein Videozusammenschnitt des Vorgänger-Atlas, auf dem bei Stürzen gelegentlich aus den Gelenken spritzende Hydraulik-Flüssigkeit zu sehen ist.

Verluste durch Leckagen und die damit möglicherweise verbundenen Umweltschäden können durch den Einsatz elektrischer Antriebe statt hydraulischer Lösungen gar nicht erst auftreten.

Durch den Wechsel von hydraulischen zu elektrischen „Gelenken“ ist die neue Atlas-Generation von Boston Dynamics schlanker und beweglicher geworden

Ein weiteres Argument für elektrische Antriebe: Sie sind deutlich kompakter. Das zeigt auch ein optischer Vergleich zwischen dem aktuellen Atlas und seinem Vorgänger. Einen deutlichen Fortschritt hat der Wechsel der Antriebstechnik auch im Bereich der Gelenkigkeit gebracht. Der neue Atlas beispielsweise kann viele Gelenke um 360 Grad drehen. Somit kann der Roboter Bewegungen ausführen, zu denen wir Menschen nicht fähig sind.

Und die Vorteile, die elektrische Antriebe humanoiden Robotern bieten, lassen sich auch auf Industrieanlagen übertragen, beispielsweise in Form von elektrischen Linearantrieben. Nicht zuletzt durch ihr einfacheres Design bieten sie mehr Möglichkeiten der Systemintegration. Die Inbetriebnahme ist unkomplizierter und damit schneller. Elektrische Linearantriebe erlauben gegenüber ihren hydraulischen und pneumatischen Pendants eine einfachere Regelung der Prozessparameter Kraft, Position, Beschleunigung und Geschwindigkeit. Durch die gebotene Präzision und Dynamik ergeben sich Vorteile hinsichtlich des sanften In-Position-Laufens, des stabilen Zwischenpositionierens ohne mechanischen Anschlag und des exakten Einhaltens von programmierten Verfahrprofilen über Zeit, unabhängig von wechselnden Lasten und Reibungen. Und genug Schnellkraft haben die elektrischen Systeme auch, wie der H1 von Unitree unlängst bewiesen hat. Als erster E-Humanoid gelang ihm aus dem Stand ein Rückwärtssalto. Dieses Kunststück haben bisher nur hydraulisch betriebene Robos zustande bekommen.

Humanoide Roboter startbereit

2030 soll es serienreife, hochflexible und in der Feinmotorik den Menschen überlegene humanoide Roboter geben, das prognostiziert die Marktanalyse „Humanoide Roboter in Operations“ der Managementberatung Horváth. Schon 2025 sei davon auszugehen, dass weniger leistungsfähige humanoide Roboter für den industriellen Einsatz in Serie produziert werden.

Bessere Energieeffizienz mindert CO₂-Fußabdruck

Und natürlich ist auch die Energieeffizienz nicht zu vernachlässigen: Bei hydraulischen oder pneumatischen Antrieben setzen elektrische Verdichter Strom zunächst in Druck und darüber in Bewegung um, was systembedingt für einen niedrigen Wirkungsgrad sorgt. So kommen bei einem Hydrauliksystem nur etwa 44 Prozent der Eingangsleistung an der Last an. Bei elektromechanischen Systemen sind es hingegen gut 80 Prozent. Ein noch weitaus größerer energetischer Vorteil ergibt sich daraus, dass elektrische Antriebe nur dann Strom ziehen, wenn sie gebraucht werden, hydraulische oder pneumatische Systeme hingegen permanent unter Druck gehalten werden müssen und dafür Energie brauchen. Gerade die Energiethematik ist aktuell noch eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung humanoider Roboter, die genau deswegen zurzeit eher Kurz- als Langstreckenläufer sind.

Robotik-Anwendungen von Schaeffler

Schaeffler bietet weit mehr als nur ein breites Programm an Wälzlagern für die Robotik. Das Unternehmen versteht sich als strategischer Partner für die Systemkomponenten Präzisionsgetriebe, Drehlagerungen, Antriebsmotoren, Sensorik und für die 7. Achse. Insbesondere das Modular Precision-Drive-System (Foto unten) spart Zeit und Kosten bei der Integration eines Präzisionsantriebs in die Industrieautomation. Weitere Infos zu den Robotik-Anwendungen von Schaeffler finden Sie hier.

Tschüss, Hydraulik!
Modulares Präzisionsgetriebe Precision-Drive-System von Schaeffler© Schaeffler

Hinzu kommt, dass Kompressor oder Hydraulikpumpe laut sind, zusätzlichen Bauraum benötigen und Abwärme produzieren. Außerdem sind sowohl hydraulische als auch pneumatische Systeme recht wartungsintensiv, die nötigen Servoventile empfindlich und störungsanfällig.

Die genannten Gründe tragen maßgeblich zum Erfolg der elektromechanischen Stellantriebe bei. So verwundert es nicht, dass es inzwischen kaum einen Industriezweig gibt, der nicht auf diese Technologie setzt. Nachfolgend einige Einsatzbeispiele jenseits der humanoiden Robotik.

  • Verpackungsindustrie: In Verpackungsanlagen wurden pneumatische Zylinder früher ...
    Verpackungsindustrie: In Verpackungsanlagen wurden pneumatische Zylinder früher oft für das Versiegeln und Etikettieren von Verpackungen eingesetzt. Elektrische Linearantriebe sind hier eine kostengünstige Alternative. Zudem ermöglichen sie eine präzisere Positionierung und Steuerung, beispielsweise beim Greifen und Sortieren von Produkten und Verpackungen. © Schaeffler
  • Medizintechnik: In medizinischen Geräten wie CT-Scannern und Röntgenmaschinen we ...
    Medizintechnik: In medizinischen Geräten wie CT-Scannern und Röntgenmaschinen werden elektrische Linearantriebe eingesetzt, um die Bewegung von Teilen zu steuern. Sie sind leiser und genauer als hydraulische oder pneumatische Systeme und erfüllen die strengen Anforderungen an die Präzision in der medizinischen Bildgebung. Auch in OP-Tischen, Behandlungsstühlen und der OP-Robotik arbeiten elektrische Aktoren, ebenso in Reha- und Fitnessgeräten. © Schaeffler
  • Mobile Maschinen: Mähdrescher, Arbeitsbühnen und Flurförder- sowie andere Nutzfa ...
    Mobile Maschinen: Mähdrescher, Arbeitsbühnen und Flurförder- sowie andere Nutzfahrzeuge – Hersteller und Nutzer stehen vor der großen Herausforderung, gleichzeitig Kosten und Emissionen zu senken sowie die Effizienz im Einsatz zu erhöhen. Auch hier können elektromechanische Aktuatoren in vielen Bereichen ihre Stärken (höhere Präzision und Zuverlässigkeit, energieeffizienterer und wartungsärmerer Betrieb) ausspielen und so die bislang eingesetzten hydraulischen oder pneumatischen Systeme ersetzen. © Schaeffler
  • Lebensmittelverarbeitung: In der Lebensmittelverarbeitung werden elektrische Lin ...
    Lebensmittelverarbeitung: In der Lebensmittelverarbeitung werden elektrische Linearantriebe in Förderbändern, Verpackungs- und Abfüllmaschinen sowie in Etikettiergeräten eingesetzt. Sie gewährleisten eine sehr präzise Positionierung und eine hygienische Umgebung. Zudem sind sie im Vergleich zu hydraulischen Systemen leicht zu reinigen. In Kaffeeautomaten zeichnen sich elektrische Linearantriebe durch geringe Reibung aus und ermöglichen beispielweise eine einfache Höhenverstellung für die Ausgabe in unterschiedlich große Tassen. © Schaeffler
  • Automobilindustrie: In der Automobilfertigung wurden hydraulische Systeme häufig ...
    Automobilindustrie: In der Automobilfertigung wurden hydraulische Systeme häufig bei Roboteranlagen verwendet, beispielsweise beim Punktschweißen, beim Anbringen von Klebeverbindungen und Dichtungen, beim Nieten und Falzen. Hier haben elektrische Linearantriebe hydraulische Systeme ersetzt, da sie präzisere Steuerungsmöglichkeiten und eine bessere Energieeffizienz bieten. Auch in der Fördertechnik und in der Endmontage bieten elektrische Linearantriebe diese Vorteile. © Schaeffler
  • Aviation: In der Luft- und Raumfahrtindustrie werden elektrische Linearantriebe ...
    Aviation: In der Luft- und Raumfahrtindustrie werden elektrische Linearantriebe zunehmend in Steuerungssystemen für Flugzeuge und Raumfahrzeuge eingesetzt. Sie bieten eine zuverlässige und genaue Steuerung der Flugzeugklappen und anderer beweglicher Teile.
  • Gebäudeautomation: In einer digital vernetzten Gebäudesteuerung sind elektromech ...
    Gebäudeautomation: In einer digital vernetzten Gebäudesteuerung sind elektromechanische Stellantriebe inzwischen gar nicht mehr wegzudenken. Sie öffnen und schließen Fenster, Türen und Tore, aber auch Jalousien, Lichtkuppeln und Terrassenüberdachungen sowie Rauch- und Wärmeklappen. Selbst modernste Theaterbühnen wie die größte der Welt im Berliner Friedrichstadt-Palast bewegen sich mithilfe groß dimensionierter elektromechanischer Stellantriebe.
Ob Robotik oder lineare Stellantriebe – Schaeffler bietet die passende elektrische Lösung
Tschüss, Hydraulik!
Schaeffler bedient das schnell wachsende Geschäftsfeld „Linear Motion“ mit einer Vielzahl an elektromechanischen Linearantrieben© Schaeffler

Für Schaeffler steht fest: Die Zukunft von Aktoren liegt in elektrischen Stellantrieben – bei Robotern genauso wie bei Industrieanlagen. Schaeffler versteht sich in beiden Welten als strategischer Partner für Systemkomponenten. Für Robotik bietet das Unternehmen neben einem breiten Programm an Wälzlagern auch Well- und Planetengetriebe, modulare Precision-Drive-Systeme, Komplettlösungen für Gelenkarme und vieles mehr.

Um seinen Kunden maßgeschneiderte und leistungsstarke Industrielösungen in Form von elektrischen Lineartechniken aus einer Hand anbieten zu können, hat Schaeffler alle seine Aktivitäten in diesem Bereich im Geschäftsfeld „Linear Motion“ gebündelt. Das Angebot von Schaeffler Linear Motion umfasst verschiedene Produktgruppen für weit mehr als 100 unterschiedliche Industrie- und spezifische Kundenlösungen – ob im stationären oder im mobilen Einsatz. Der weltweite Umsatz mit elektrischen Linearantrieben soll bis 2032 um 67 Prozent wachsen von 20,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 auf dann 34,3 Milliarden US-Dollar.