Schaefflers Visionäre
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Oktober 2022

Schaefflers Visionäre

Von Volker Paulun
Wie kann der Transportsektor nachhaltiger werden? Und wie kann Schaeffler diese Transformation beschleunigen? Auch mit diesen Fragen setzen sich die Spezialisten der Abteilung Advanced Innovation von Schaeffler auseinander.

Tick, tack, tick, tack. Die Uhr des Klimawandels tickt unaufhörlich. „Wenn wir die gesteckten Klimaziele erreichen wollen, müssen wir die dafür nötigen Innovationen schnellstmöglich auf den Weg bringen“, mahnt Prof. Dr.-Ing. Tomas Smetana. Er leitet seit dem 1. September die Abteilung Advanced Innovation bei Schaeffler – und drückt aufs Gaspedal. „Wie heißt es so schön: Die Zukunft beginnt heute. Wenn wir nicht von Weiterentwicklungen, sondern von wirklich neuen, möglicherweise disruptiven Technologien sprechen, müssen wir diese jetzt anstoßen, wenn wir sie 2030 nutzen wollen. So lange dauert ein Entwicklungsprozess von der Idee über die Entwicklung bis hin zur Produktion und Skalierung für die Märkte.“

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Tomas Smetana (M.) erforscht und entwickelt bei Schaeffler mit seinen Kollegen in der Abteilung Advanced Innovation wegweisende Technologien für die Zukunft© Schaeffler

Um im Entwicklungsprozess möglichst schnell Tempo aufzunehmen, fokussiert Schaeffler seine Forschungs- und Entwicklungskompetenzen. „Wir wollen nicht nach dem Gießkannenprinzip möglichst viele Ideen anschieben, sondern uns auf die konzentrieren, die zu Marktbedarfen, Problemstellungen der Kunden, aber auch zu unseren Kompetenzen passen“, sagt Smetana. Darum konzentriert sich der Anfang des Jahres neu aufgestellte Bereich Advanced Innovation auf acht Fokusfelder: zwei im Bereich Produktion, eines im Bereich Material und fünf im Bereich Produkt. Hier reicht die Bandbreite von Anwendungen im Bereich Energie über Robotik und Digitalisierung bis zu Mobilitätslösungen und elektrischen Antrieben. Jeder dieser Bereiche forscht und entwickelt autark. „Aber natürlich ist eine Zusammenarbeit zwischen den Kollegen aus verschiedenen Divisionen, Funktionen und Regionen in gemeinsamen Projektteams ein Schlüssel zum Erfolg der Innovation“, unterstreicht Smetana.

Holistische Denkansätze sind wichtig

Als Beispiel nennt der 48 Jahre alte gebürtige Tscheche, der seit 21 Jahren in verschiedenen Positionen bei Schaeffler arbeitet, ein Untersetzungsgetriebe, das den Weg vom Verbrennungsmotor in die Robotik gefunden hat. Ein weiteres Beispiel: Durch traditionelle Kernkompetenzen wie das präzise Umformen und Beschichten im Dünnschicht-Bereich ebnete sich Schaeffler vor einigen Jahren den Weg in die Wasserstoff-Wirtschaft. Das Unternehmen hat sich dort auf die Produktion von Bipolarplatten für Brennstoffzellen und Elektrolyseure im industriellen Maßstab fokussiert. Smetana: „Es ist eine große Stärke von Schaeffler, dass wir Produkt­innovation, Systemverständnis mit Material- und Fertigungskompetenzen sowie höchster Qualität kombinieren können. Diese Bündelung versetzt uns in die Lage, Ideen in kurzer Zeit zur Markreife zu führen. Die durch die Innovationscluster gesetzten Leitplanken beschleunigen die Prozesse weiter.“

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Prof. Dr.-Ing. Tomas Smetana, Leiter Advanced Innovation bei Schaeffler
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„Die Innovationscluster sind unser Spielfeld, auf dem sich die Kreativität unserer Mitarbeitenden frei entfalten kann.“

Entwicklungen für eine zukunftsgerichtete und nachhaltige Mobilität kommen ohne holistische Denkansätze ohnehin nicht weit. Auch wenn es um nachhaltige Transportlösungen für Personen und Güter geht, spielen Energiequellen ebenso eine Rolle wie digitale und automatisierte Anwendungen. Neue Konzepte wie autonome People- und Logistik-Mover sind ja im Grunde fahrende Roboter. Vehicle-to-Vehicle- und Vehicle-to-Infrastruktur-Kommunikation sind digitale Anwendungsfelder, die sowohl für das autonome Fahren von großer Bedeutung sind als auch für einen reibungslosen und damit emissionssenkenden Verkehrsfluss.

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Spielfeld für Kreativität und Innovation

Für ein hohes Maß an Stringenz bei den Entwicklungen hat aber jedes Innovationscluster fest definierte Projektstrukturen. „So haben wir Entwicklungsrichtungen, aber auch Verantwortlichkeiten klar definiert“, sagt Smetana. Im Cluster „Mobility Solutions“ sind neue Fahrzeugplattformen wie People- oder Logistik-Mover angesiedelt. Ebenso die Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen aber auch Fluggeräten, das autonome Fahren und als erweitertes Forschungsfeld die Infrastruktur. Die „E-Drive-Solutions“ umfassen neuartige Antriebe, Antriebselektronik und Sensorik, Getriebe und Lagersysteme. „Diese Innovationscluster sind unser Spielfeld, auf dem sich die Kreativität unserer Mitarbeitenden frei entfalten kann“, sagt Smetana.

Gelenkiges Helferlein

Die mit dem Red Dot Award ausgezeichnete autonome mobile Roboterplattform DEX ist ein gutes Beispiel, wie Schaeffler Innovationen mit Partnern vorantreibt. DEX wurde in enger Zusammenarbeit mit der Orcadesign Consultants Pte. Ltd. und dem Team des Schaeffler Hub for Advanced Research (SHARE) an der Technischen Universität Nanyang in Singapur (NTU) visualisiert. DEX kann mehrere Hundert Kilo schwere Lasten tragen und zum Beispiel im urbanen Lieferdienst eingesetzt werden, aber beispielsweise auch, um Betten in Krankenhäusern selbstständig von A nach B zu bringen. Schaeffler selbst plant einen Forschungs-Pilotlauf, um DEX für seine Produktionsanlagen einzusetzen und die Produktionsabläufe zu optimieren.

Schaefflers Visionäre© Schaeffler

Innovation muss aber nicht zwingend aus dem eigenen Kosmos heraus kommen. „Wir suchen bewusst auch die Zusammenarbeit mit externen Innova­tionstreibern“, führt Smetana weiter aus. Open Innovation heißt dieser Bereich. „Wir arbeiten gezielt mit Start-up-Plattformen zusammen und gehen jetzt auch in den Bereich Venture Capital, um unsere Entwicklungen zu beschleunigen.“ Als Beispiele nennt Smetana das automatisierte Fahren und Robotik-Lösungen, die er gerade wegen des sich immer massiver bemerkbar machenden Fachkräftemangels als besonders dringliche Innova­tionsfelder einstuft. Die Systementwicklung obliege hier Schaeffler, einzelne Komponenten, zum Beispiel im Bereich Sensorik oder Digitalisierung, könnten aber durchaus von einem externen Anbieter stammen.

Innovationsfeld Sustainable Transportation

Zu Entwicklungsprojekten im Bereich Sustainable Transportation sagt der auskunftsfreudige Tech-Talker: „Eine wichtige Frage, die wir uns hier stellen, ist: Wie kann ich einen E-Motor elektromagnetisch so auslegen, dass ich damit eine hohe Effizienz erreiche? Das ist sicherlich ein Bereich, in dem noch deutliche Verbesserungsmöglichkeiten liegen. Ein weiterer ist die Elektronik. Hier fragen wir uns, warum sie so aussieht, wie sie aussieht. Was können wir mit einer anderen Architektur erreichen, aber auch mit anderen Werkstoffen und natürlich mit der Software. Und wir sehen hier Effizienzsteigerungspotenziale im zweistelligen Prozentbereich“.

Es mag überraschen, aber auch den Verbrennungsmotor will er beim Thema Sustainable Transportation genannt wissen. „Natürlich nicht im Bereich Pkw“, schiebt er zur Richtigstellung schnell nach. „In anderen Fahrzeugkategorien, wie der Schifffahrt, der Luftfahrt oder auch in einigen Heavy-Duty-Anwendungen wird er aber nicht in allen Bereichen so schnell zu ersetzen sein. Umso wichtiger ist es, den Betrieb mit grünen Kraftstoffen wie Wasserstoff oder Ammoniak zu dekarbonisieren. Bei aller Begeisterung für die E-Mobilität arbeiten wir auch daran.“