Reise ins Unbekannte
© Schaeffler
September 2017

Reise ins Unbekannte

80.000 Kilometer im Auto durch die USA – 1910 stellt sich Dr. Charles G. Percival dieser Herausforderung, die damals unmöglich erscheint.

Wer Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Auto auf Reisen geht, lässt sich auf ein echtes Wagnis ein. Asphaltierte Straßen gibt es so gut wie gar nicht, außerhalb der Städte existieren fast nur schlammige Wege, gespickt mit Schlaglöchern, oft sind es nur Trampelpfade, Brücken lassen sich fast an einer Hand abzählen. Zwar wird das 1885 erfundene Automobil immer beliebter, ein Massenfortbewegungsmittel ist es noch lange nicht. In den USA gibt es im Jahr 1900 knapp 8.000 Autos, bis 1910 wächst die Zahl auf fast 460.000 an. Zwölf Jahre später – selbst in New York gehören Kutschen immer noch zum Straßenbild – wird erstmals die Millionengrenze überschritten. Nicht zuletzt dank des Ford T-Modells, des ersten in Massenproduktion gefertigten Automobils. Zum Vergleich: Heute fahren in den USA über 260 Millionen Autos.

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FAG nimmt 1913 ein Dankschreiben Percivals zum Anlass, seine Abenteuer mit einem Markenset zu würdigen© Schaeffler

Als 1910 der Journalist Dr. Charles G. Percival, damals Autor beim New Yorker Monatsmagazin „Health“, auf die wahnwitzige Idee kommt, mit dem Automobil die USA zu durchqueren – und zwar sowohl von Süden nach Norden als auch von Osten nach Westen –, sind die Verkehrswege für motorisierte Fahrzeuge darauf überhaupt noch nicht ausgelegt. Dennoch startet der Abenteurer, der auch als Kriegsreporter, Mediziner und Geologe arbeitete, noch im selben Jahr im mexikanischen Monterrey zu seiner großen Reise. Sie soll schließlich knapp zwei Jahre dauern und ihn rund 50.000 Meilen (über 80.000 Kilometer) weit führen. Sein Fahrzeug, ein 30 PS starker Abbott-Detroit, von Percival liebevoll „Bulldog“ getauft, ist hoffnungslos überladen. Der Abenteurer hat einfach alles eingepackt, was er glaubt, auf der Reise gebrauchen zu können: Benzinkanister, Lebensmittel, Zelt, Angel, außerdem eine Pistole und einen Fotoapparat, mit dem er seine Abenteuer akribisch dokumentiert.

Große Strapazen für Mensch und Maschine

Dabei geht Percival, begleitet von sich abwechselnden Mechanikern, an die Grenzen des Machbaren. Im Imperial Valley in Kalifornien rollt er 50 Meter unter dem Meeresspiegel dahin, in den Rocky Mountains klettert er bis auf über 3.300 Meter empor. In Alaska fährt er jenseits des 62. Breitengrades – so weit im Norden war bis dahin noch kein Auto gekommen. Es wird bis 1978 dauern, bis dort wieder – nach dem Bau eines Highways – ein Auto ankommt. Vor allem die Routen dort und in der kanadischen Yukon-Region sind extrem strapaziös. Immer wieder fahren sich Percival und seine Begleiter im Herbstschlamm fest. Hungrig und durchfroren buddeln sie das Auto dann stundenlang wieder frei, fällen Bäume, um mit dem Holz die Wege zu befestigen. Teilweise legen sie nur wenige Kilometer am Tag zurück und sind dabei im offenen „Bulldog“ Wind und Wetter ausgesetzt. Aus Mangel an passierbaren Wegen fahren sie auch oft auf Bahntrassen.

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Am 25. September 1911 trifft Percival in Skagway (Alaska) ein© Detroit Public Library

Auf seiner Reise sorgt Percival überall für Aufsehen. Da er unterwegs regelmäßig Artikel für Zeitungen schreibt, sind die Amerikaner immer über seinen Fortschritt informiert. Wenn er in Orten eintrifft, sorgt er für einen Massenauflauf. Auch trifft er unterwegs den damaligen US-Präsidenten William Howard Taft, rund 40 Gouverneure und unzählige Bürgermeister. Schüler bekommen frei, da sie unbedingt den Visionär und sein Fahrzeug aus der Nähe betrachten wollen. Oft laufen sie kilometerweit neben seinem Auto her. Nach seiner Rückkehr vermarktet Percival seine Reise geschickt. Er schreibt ein Buch, in dem er seinen zahlreichen Sponsoren und Ausrüstern dankt. Einer davon ist auch die heutige Schaeffler-Marke FAG, mit deren Radlagern Percivals Abbott-Detroit ausgerüstet ist, und die „nicht einen Augenblick Schwierigkeiten bereiteten“. Der Historiker James H. Ducker schreibt 1999 über Percivals Werk, es sei eine „Erinnerung an eine leise Revolution (...), die das Ende vieler Eisenbahnlinien einläuten würde und eine neue Industrie im Großraum Detroit entstehen lässt, die die Geografie und das Leben Amerikas für immer veränderte“. Es beginnt die automobile Revolution.

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An der Expedition „Croisière Noire“ nahmen 1924/25 acht Fahrzeuge mit jeweils 10 PS teil© Citroën
AutoAbenteuer
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Klettertauglich: die Kettenfahrzeuge von Citroën
© Citroën

Auch nach Percival gibt es immer wieder Menschen, die mit Autos zu großen Abenteuern aufbrechen. Einer dieser Pioniere ist der Franzose André Citroën, der mit seinen Expeditionen vor allem die Bekanntheit seiner Marke steigern will. 1922/23 durchqueren seine Kettenfahrzeuge erstmals die Sahara. Später initiiert er die „Croisière Noire“ (Schwarze Kreuzfahrt), bei der die Teilnehmer 1924/25 rund 28.000 Kilometer quer durch Afrika von Algerien bis Madagaskar zurücklegen, und sechs Jahre später die „Croisière Jaune“ (Gelbe Kreuzfahrt) durch Zentralasien. Letztere muss jedoch nach der Überquerung des Himalajas abgebrochen werden, da der Expeditionsleiter Georges-Marie Haardt unterwegs an einer Lungenentzündung stirbt. Zur gleichen Zeit sorgt die Deutsche Clärenore Stinnes für eine Sensation. Von 1927 bis 1929 umrundet sie als erster Mensch überhaupt in einem Pkw die Erde.

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Jeremy Clarkson und James May fuhren 2007 im Toyota Hilux zum magnetischen Nordpol© Toyota

Aber auch heute noch greift das Abenteuerfieber immer mal wieder um sich. So wagen sich 2007 die damaligen „TopGear“-Moderatoren Jeremy Clarkson und James May in Eis und Schnee und erreichen als Erste mit einem Auto den magnetischen Nordpol. Im Jahr 2009 legt der Deutsche Rainer Zietlow bei der „EcoFuel-Panamericana“ in einem Erdgas-angetriebenen VW Caddy rund 50.000 Kilometer in Nord- und Südamerika zurück und besucht dabei unter anderem Schaeffler-Standorte in Brasilien, Argentinien, Mexiko und den USA.

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Rainer Zietlow machte 2009 auf die Vorteile von Erdgasantrieb aufmerksam© Schaeffler
Lars Krone
Autor Lars Krone
Ob er auch an solch waghalsigen Expeditionen teilnehmen würde, ist sich Lars Krone (39) nicht sicher. Der Redakteur aus Hamburg reist aber gerne. Vor allem Japan mit seiner abwechslungsreichen Landschaft und seiner besonderen Kultur hat es ihm angetan. Die fünfte Reise in das Land des Lächelns ist schon geplant.