Nicht alle Wege führen zum Ziel
Ab den 1860er-Jahren tüftelte der junge, technikbegeisterte Handelsvertreter Nikolaus Otto an der Optimierung des vom Franzosen Étienne Lenoir erfundenen Gasmotors. Das Ergebnis war der sogenannte Flugkolbenmotor, der durch ein geändertes Gas-/Luftgemisch und die Nutzung des Umgebungsdruckes zwei Drittel weniger Kraftstoff verbrauchte als Lenoirs Ursprungsversion. 700 Kilo wog Ottos erster Motor und leistete 0,5 PS. Für die Mobilität war er nicht geeignet, wohl aber als Antrieb für Produktionsmaschinen. Otto forschte weiter, entwickelte unter anderem die elektrische Zündung und brachte 1876 zusammen mit Wilhelm Maybach und Gottlieb Daimler einen Viertaktgasmotor mit verdichteter Ladung zur Serienreife. „Otto’s neuer Motor“, so der Vermarktungsname, bildete die Grundlage für heutige Verbrennungsmotoren. Gottlieb Daimler erkannte schnell das Potenzial des neuen Aggregats als Fahrzeugantrieb zu Lande und Wasser, optimierte zusammen mit Maybach weiter. Carl Benz kombinierte den Verbrennungsmotor mit einem kutschenartigen Dreirad und brachte so das erste Automobil auf die Straße. Bis heute ist der mit fossilen Brennstoffen wie Benzin, Diesel oder Gas befeuerte Verbrenner das dominierende Antriebskonzept für Pkw und Lkw. Dabei gab es in rund eineinhalb Jahrhunderten Mobilität diverse Abweichungen von der Norm. Die Mehrzahl der historische Entwicklungspfade führte jedoch immer wieder in Sackgassen. Aber es gab auch vielversprechende Ausnahmen. Ein Überblick:
Dampfkraft
Sie galt als technische Revolution: Im 18. Jahrhundert ermöglichte die Dampfmaschine die Mechanisierung der Industrie und ersetzte damit das Pferd. Dank der Verbrennung der fossilen Energieträger Koks, Braunkohle, Holz oder Öl war es möglich, Dampf entstehen zu lassen und Kolben zu bewegen. Über eine Kurbel ließ sich der Hub der Kolben in eine Drehbewegung verwandeln. Neben dem Stationärbetrieb war diese Technik bald auch bei der Fortbewegung gefragt, etwa in dampfbetriebenen Schiffen, Lokomotiven, Automobilen und Nutzfahrzeugen. Der benzinbetriebene Verbrennungsmotor mit seinem deutlich besseren Wirkungsgrad und der kompakteren Bauweise begann die Dampfmaschine jedoch ab Ende des 19. Jahrhunderts im Straßenverkehr abzulösen.
E-Motor
1835 lässt Thomas Davenport, ein Schmied aus Vermont, eine kleine Eisenbahn über einen Gleiskreis mit einem Durchmesser von etwa einem Meter fahren. Das interessiert freilich wenige, ist aber dennoch eine Weltsensation: Denn Davenport hat das erste Elektro¬mobil gebaut. 1837 sichert er sich das weltweit erste Patent auf einen Elektromotor. Seitdem sinnen Ingenieure darüber nach, wie Strom den Menschen bewegen kann – lange vor dem ersten Verbrennungsmotor. Als 1882 der österreichische Elektroingenieur Nikola Tesla den Wechselstrommotor erfindet, scheint Strom endgültig die antriebsseitige Mobilitätslösung zu sein. Als erstes vierrädriges E-Auto der Welt gilt der deutsche „Flocken Elektrowagen“ aus dem Jahr 1888. Auch die erste Autofahrt mit dreistelliger Geschwindigkeit, wurde mit einem E-Fahrzeug bestritten: 1899 erreichte der Belgier Camille Jenatzy mit seiner „La Jamais Contente“ 105,88 km/h. „Um 1900 waren in den USA 40 Prozent der Automobile Dampfwagen, 38 Prozent Elektrowagen und 22 Prozent Benziner, die ihren Treibstoff flaschenweise in der Apotheke nachtanken mussten. Kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs wendete sich das Blatt zugunsten des Verbrenners. Das Tanken wurde durch erste Zapfstellen erheblich vereinfacht, die durch Henry Ford eingeführte Fließbandproduktion machte das Verbrennerauto deutlich erschwinglicher als den Batteriekonkurrenten. Der Rest ist Automobilgeschichte. Doch mittlerweile zeichnet sich überdeutlich ab, dass das E-Auto das Blatt wieder zu seinen Gunsten wendet. Experten von Schaeffler gehen davon aus, dass 2035 weltweit „nur noch“ rund 15 Prozent aller neu zugelassenen Autos rein verbrennungsmotorisch angetrieben sein werden. Manchmal dauert es etwas länger, bis sich eine Technologie durchsetzt …
Neue Energieträger
Neben Erdöl gewannen abhängig von wirtschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen auch Alternativen eine Bedeutung. Palmöl und Rapsöl als pflanzenbasierte Stoffe eignen sich für den Dieselantrieb. Der Alkohol Ethanol lässt sich in Ottomotoren verwenden. Mit dieser Alternative hat sich Brasilien nach der Ölkrise der Siebzigerjahre im Verkehrssektor vom Erdölmarkt abgekoppelt. Auch Gase wie Flüssiggas (LPG), Erdgas (CNG) oder Biomethan sind für Verbrennungsmotoren verwendbar. Nutzte die erste Generation von Biokraftstoffen die Frucht von Pflanzen (Öl, Zucker und Stärke) und geriet damit in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion, so basiert die zweite Generation auf Pflanzenteilen, die nicht der Nahrung dienen. An Bedeutung gewinnt die Gruppe der synthetischen Kraftstoffe. Sie ersetzen Mineralöl durch andere Energieträger, helfen je nach Stoffen und Verfahren in vielen Fällen bei der CO2-Vermeidung und bieten damit Alternativen zu elektrischen Antrieben. Seit Längerem etabliert ist das Prinzip X-to-Liquid (XtL): Gas-to-Liquid (GtL), Biomass-to-Liquid (BtL) oder Coal-to-Liquid (CtL). Beim Prinzip Power-to-X (PtX) spalten die Verfahrenstechniker Wasser unter Einsatz von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff. Anschließend produzieren sie aus Wasserstoff und anderen Stoffen, vor allem Kohlendioxid, entweder mittels Power-to-Gas (PtG) Methan oder mittels Power-to-Liquid (PtL) flüssigen Kraftstoff. Der Wasserstoff lässt sich auch direkt einsetzen, etwa im Brennstoffzellenantrieb oder in Verbrennungsmotoren. Neben dem Preis entscheiden der Wirkungsgrad und die Emissionen einzelner Stoffe über Erfolg und Misserfolg dieser Lösungen. Politische Erwägungen beeinflussen darüber hinaus den gesetzgeberischen Rahmen. National können somit höchst unterschiedliche Bewertungen entstehen, die im Lauf der Zeit vielfach einem Wandel unterliegen.
Festbrennstoffe
In fast eineinhalb Jahrhunderten Automobilgeschichte galt mehr als einmal das Sprichwort „Not macht erfinderisch“. In Kriegszeiten mit Treibstoffknappheit zwangen Engpässe zu energetischen Alternativen. Der im Zweiten Weltkrieg vor allem in Deutschland eingesetzte Holzvergaser wandelt Holz bei hohen Temperaturen in Holzkohle um. Diese Holzkohle reagiert mit Wasserdampf zum Generatorgas, dem eigentlichen Treibstoff für den konventionellen Verbrennungsmotor. Die Reichweite solcher Autos belief sich jedoch auf gerade einmal 50 bis 150 Kilometer. Alle 20 bis 30 Kilometer galt es zudem, die Verbrennungsrückstände zu entfernen. Und die ungünstige Energiedichte – zweieinhalb Mal geringer als bei Benzin – bedeutete, dass größere Holzmengen im Zweifel auf einem Anhänger mitgenommen werden mussten. Auch die Idee, Kohlenstaub als Kraftstoff zu verwenden, brachte nur mäßige Ergebnisse: Die Leistungsausbeute fiel zu gering aus.
Stirlingmotor
In Abgrenzung zu einem Verbrennungsmotor erfordert ein Stirlingmotor eine externe Wärmequelle, denn er produziert die Wärmeenergie nicht selbst. Die externe Quelle erwärmt das Arbeitsgas im Stirlingmotor, das wiederum durch Expansion einen Kolben verdrängt, bevor es in einem zweiten Zylinder abkühlt. Das Gas pendelt zwischen beiden Räumen und wechselt Druck und Temperatur. Die beiden Kolben lassen dabei mithilfe von Pleueln und einer Kurbel eine Achse drehen. So wandelt der Motor thermische in mechanische Energie um. Daraus lässt sich beispielsweise mit einem Generator Strom erzeugen. Der Motor benötigt jedoch eine lange Aufheizzeit. Durch sein träges Ansprechverhalten ist er nur schwer regelbar. Für den Straßenverkehr ist er deshalb nicht zu gebrauchen. Sein Wirkungsgrad steigt, je größer der Wärmeüberträger ausfällt, sodass Größe und Gewicht des Motors ungünstig hoch sind. Das prädestiniert ihn für stationäre Anwendungen, nicht aber für Automobile. Prinzipiell lässt sich dieser Anfang des 19. Jahrhunderts patentierte Motor mit einem Verbrennungsmotor oder mit Solarthermie kombinieren. Auch bei Blockheizkraftwerken ist sein Einsatz sinnvoll, ebenso plant die NASA seinen Einsatz in Raumsonden.
Raketenantrieb
Autos mit Raketenantrieb gab und gibt es tatsächlich – allerdings nicht im Straßenverkehr, und das ist auch besser so. Fritz von Opel jagte 1928 mit dem Opel RAK 2 über die Berliner Avus. Und wenn es um Geschwindigkeitsrekorde zu Lande geht, geben Raketenantriebe etwa auf dem Salzsee von Utah schon seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts den Ton an. Im Verkehrsalltag freilich ist die Rakete nicht zu gebrauchen: Die austretenden Abgase sind viel zu heiß und das Rückstoßprinzip ist mit Tempo und Rhythmus im Straßenverkehr nicht kompatibel. Dass Raketenantriebe dennoch eine konkrete Rolle für die Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr gespielt haben, ist eine historische Tatsache. So setzte Mercedes-Benz von 1962 bis 1973 Heißwasserraketen ein, um Versuchsfahrzeuge bei Crashtests zu beschleunigen. Längst haben Schleppseile diese Aufgabe der Beschleunigung übernommen.
Schwungrad oder Druckluft als Hybridspeicher
Während in Hybridantrieben batterieelektrische Akkumulatoren heute die Regel sind, haben sich andere Speicherlösungen nicht durchgesetzt. Bereits in den 1950er-Jahren liefen in der Schweiz und später in Belgien Gyrobusse. Ihre rund 1,5 Tonnen schweren Schwungräder ließen sich an den Haltestellen über ausfahrbare Pantografen auf dem Dach durch Energieaufnahme an Netzabnehmern in Minuten wieder beschleunigen. Sie ermöglichten eine Reichweite der Gyrobusse von mehreren Kilometern bis zum Wiederaufladen an der nächsten Haltestelle. Für den Motorsport entstanden Hightech-Flybrid-Systeme ergänzend zu Verbrennungsmotoren. Sie kamen ab 2008 in der Formel 1 zum Einsatz und ab 2011 in Le Mans, zum Beispiel bei Audi, sie setzten sich im Straßenverkehr jedoch nie durch. Ebensowenig war der Drucklufthybrid reif für die Serienproduktion. Peugeot hatte sein HYbrid air System mit Druckluftspeicher 2013 vorgestellt. Die Marke beanspruchte, den Verbrauch der Baureihe 2008 damit auf 2,9 Liter verringert zu haben. Die komprimierte Luft war über eine Hydraulik und ein Getriebe mit dem Antriebsstrang verbunden. Rein pneumatisch angetriebene Leichtbau-Konzepte wie der Volvo Air Motion, der Honda Air oder der AirPod von Motor Development International kamen nie über das Stadium von Studien hinaus.
Solarantrieb
Die Sonnenenergie als Antrieb zu nutzen klingt verlockend. Doch der Wirkungsgrad von Solarzellen ist mit nur rund 20 Prozent so gering, dass es trotz angekündigter Modelle wie Sono Sion, Lightyear One oder Aptera Sol bis heute kein Solarauto im Handel gibt. Aktuell in Serienfahrzeugen angebotene Solardächer – etwa im Hyundai Ioniq 5 – dienen lediglich als Ergänzung zum Ladestrom aus der Steckdose. Das vom Schaeffler-Partner ABT e-Line angebotene Solardach für den VW ID. Buzz kann mit einer Spitzenleistung von 600 Watt aber laut Hersteller pro Jahr immerhin Energie für bis zu 3.000 Kilometer liefern. Bei extremen Leichtbau-Prototypen hingegen genügt der Strom aus bordeigenen Solarzellen durchaus zur Fortbewegung: Seit 1987 messen sich etwa in der World Solar Challenge in Australien die besten Teams miteinander (www.worldsolarchallenge.org). Auch zu Wasser und in der Luft findet die Solaridee Freunde: Dem Schweizer Bertrand Piccard gelang 2016 mit dem Flugzeug „Solar Impulse 2“ mit 17.000 eingebauten Solarzellen die Erdumrundung. Dank großer Dachflächen haben auch Solarboote, teils mit Platz für eine dreistellige Passagierzahl, den Weg auf die Gewässer der Welt gefunden. Sie verkehren in Indien, Spanien, an der Côte d'Azur oder auch auf der Ostsee.
Atomantrieb
Ungebrochener Fortschrittsglaube begünstigte es, dass Ford 1958 der Welt eine Studie mit dem Namen Nucleon vorstellte. Ein Kernreaktor hätte das Auto mit den kuriosen Proportionen in den Wunschvorstellungen der Entwickler antreiben sollen. Wie eine solche Anlage hätte miniaturisiert und kostengünstig betrieben werden können, bleibt ein Geheimnis – vom Sicherheitsaspekt im Straßenverkehr einmal ganz abgesehen. Auch der Simca Fulgur und der Studebaker-Packard Astral stellten in dieser Epoche lediglich Visionen für Atomantriebe dar. Dass sich Kernkraft dennoch nicht nur stationär im Kraftwerksbetrieb nutzen lässt, beweisen Schiffe mit Atomantrieb: U-Boote, Flugzeugträger, aber auch Atom-Eisbrecher oder das frühere deutsche Frachtschiff Otto Hahn vertrauen auf Kernspaltung.
Gasturbine
Verdrängte der Turbinenantrieb in Flugzeugen nach dem Zweiten Weltkrieg rasant die Kolbenmotoren, so schlug die Übertragung dieser Technik in den Straßenverkehr fehl. Die Studie Rover Jet 1 und der Fiat Turbina blieben zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Einzelstücke. Wenige Dutzend Versuchsfahrzeuge des Chrysler Turbine überließ die Marke Anfang der Sechzigerjahre ausgewählten Kunden zur Erprobung. Sie beendete das Programm jedoch nach Abschluss dieses Langzeittests. Hoher Treibstoffverbrauch und verzögerte Beschleunigung sind nur einige Nachteile der Turbine. Jaguar integrierte diese Technik 2010 im Sportwagen C-X75 in einen Hybridantrieb: Zwei Mikrogasturbinen dienten als Reichweitenverlängerer zum Aufladen der Traktionsbatterie, die die Energie für vier Radnabenmotoren lieferte. Auch dieser Versuch blieb im Stadium der Studie stecken.
Wankelmotor
Die wohl bekannteste Alternative zum Hubkolbenmotor ist der Kreiskolbenmotor. Der frühere Automobil- und Motorradhersteller NSU vermarktete die Erfindung von Felix Wankel weltweit und baute mit dem Wankel Spyder und dem NSU RO 80 zwei eigene Modelle mit Kreiskolbenmotor. Mehr als 30 Unternehmen weltweit erwarben von NSU und später von der AUDI AG Lizenzen für das Patent. Mazda vertraute ab 1967 jahrzehntelang auf das Konzept und baute mehr als zwei Millionen Drehkolbenmotoren. Zuverlässigkeitsprobleme zu Beginn der Serienproduktion, immer strengere Emissionsvorschriften, der hohe Verbrauch und das niedrige Drehmoment dieses Motors ließen ihm langfristig jedoch keine Chance. Als überaus kompakter Reichweitenverlängerer in der Reserveradmulde des Audi A1 e-tron, der ab 2011 zeitweise im Versuch lief, blieb der Kreiskolbenmotor auch als Ergänzung elektrifizierter Antrieben der jüngsten Vergangenheit chancenlos.
Propellerantrieb
Völlig vergessen sind heute Propellerautos der Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Die französische Konstruktion Leyat Hélica besaß einen riesigen Propeller am Bug, ähnlich einem Kleinflugzeug. Ohne Kupplung, Getriebe und Achsantrieb sparte das Modell zwar einiges an Gewicht ein. Doch das Geräusch des motorbetriebenen Propellers, die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch den Rotor und die verzögerte Beschleunigung und schwierige Dosierbarkeit verhinderten eine größere Verbreitung solcher Antriebe im Straßenverkehr. Weitere Propellerautos im Versuch waren die Traction Aérienne und der Helicron. Auch dem 1939 auf der IAA als Forschungsfahrzeug vorgestellten Schlörwagen (siehe Foto) – wegen seiner aerodynamischen Form (cW-Wert 0,186!) gern als „Göttinger Ei“ tituliert – wurde 1942 ein Propellerantrieb aufgeflanscht. Das ebenso monströs wie futuristisch anmutende Konstrukt verschwand nach einer aufsehenerregenden Testfahrt in Göttingen von der Bildfläche. Auch ihm verhalf der Propeller nicht zu einem Höhenflug.