Ins Netz gegangen
Von Mikroplastik sollte mittlerweile jeder gehört haben. Jene mikroskopisch kleinen Kunststoffteilchen, an deren Oberfläche sich Giftstoffe binden und so in menschliche Organismen gelangen können. Es geht allerdings noch kleiner. Noch unsichtbarer. Stellen Sie sich Mikroplastik als einen Fußball vor und halten Sie einen Stecknadelkopf daneben. Nanoplastik ist ungefähr 1.000-mal kleiner als sein „großer Bruder“ Mikro. Kaum noch vorstellbar. Gängige Klärmethoden (Filtration, Oxidation) sind machtlos dagegen. Bald nicht mehr, sagt ein deutsches Forschungsteam.
4.000 kg Plastikabfall
fischt das solarbetriebene Müllsammelschiff „Circular Explorer“ der Umweltschutzorganisation One Earth – One Ocean pro Tag aus dem Meer. Der Katamaran soll zunächst in der Ostsee umhertreibende Fischernetze einsammeln. 2022 soll das Schiff in die Bucht vor Manila (Philippinen) gebracht werden, um in einigen der weltweit am stärksten verschmutzten Gewässer den Kampf gegen den Plastikmüll aufzunehmen.
Magnete sammeln Plastikklumpen ein
Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Kooperationspartner der Schaeffler AG aus dem benachbarten Herzogenaurach, haben gezeigt, wie Plastikpartikel verschiedener Sorten (Polyethylen, Polystyrol, Polyvinylchlorid, Teflon etc.) und Größen – also auch solche in Nano-Größe – aus dem Wasser entfernt werden können. Das Prinzip: Ungiftige, speziell beschichtete Eisenoxid-Nanopartikel, sogenannte SPIONs (superparamagnetic iron oxide nanoparticles), verklumpen wie eine Art Kleber mit dem Plastik zu größeren Agglomeraten, die dann durch den Eisenoxid-Anteil sehr einfach magnetisch eingesammelt werden können. „Smarter Rost“ nennt das Team um Professor Marcus Halik dieses verbundene Material. Eine effizientere Methode sei bislang nicht bekannt, so Halik.
Unsere Innovation ist die einzige, die Plastikpartikel in Nano-Größe aus dem Wasser entfernen kann
Professor Marcus Halik
Der Plan der Wissenschaftler: Noch bevor die Meere verschmutzt werden können, kommen die SPIONs zum Einsatz. In einem Container, durch den Flusswasser geleitet wird. Mit Dosier- und Mischanlage, Magnetabscheider und Analytik. Am besten direkt an einer Kläranlage, quasi als letzte Reinigungsinstanz zur freien Wild(wasser)bahn.
Alternative Methoden ähnlich vielversprechend
Ähnlich funktioniert das Prinzip des Studenten Fionn Ferreira, des Gewinners der Google Science Fair 2019. Er hat mithilfe einer von der Nasa erfundenen „magnetischen Flüssigkeit“ Mikrokunststoffe aus dem Wasser aufgenommen. Dieses sogenannte Ferrofluid fügt sich im Wasser mit Mikroplastik zusammen. Bei 1.000 Tests war die Methode zu 87 Prozent erfolgreich.
Das deutsche GreenTech-Start-up Wasser 3.0 setzt auf eine andere Strategie. Das verschmutzte Wasser wird mit ungiftigen Hybridkieselgelen versetzt, durch Umrühren verklumpen die winzigen Partikel zu einem popcornartigen Gebilde, schwimmen auf und können abgeschöpft und weiterverwertet werden. Erste Forschungsprojekte sollen eine sehr gute Eignung als Dämm- und Baumaterial zeigen.
Zahlen und Fakten
Biologisch abbaubare Kunststoffe
Eine alternative Idee ist es, den „ewig“ in der Natur überlebenden Kunststoff zu substituieren. Durch einen Kunststoff, der in wenigen Monaten biologisch abbaubar und recycelbar ist, wie ihn jüngst US-Wissenschaftler entwickelt haben. Ein Team in Yale zerlegte Holzpulver, ein typisches Abfallprodukt in Sägewerken, mithilfe eines Lösungsmittels in eine Aufschlämmung aus organischen Polymeren und Zellulose, die dann als Biokunststoff gegossen werden kann. Forscherkollegen aus Cambridge kreierten dagegen einen Kunststoff aus Pflanzenproteinen, indem sie Nanopartikel hinzufügten. So lässt sich die Struktur des Stoffs kontrollieren, um flexible Folien zu schaffen – ein Material, das auf molekularer Ebene wie Spinnenseide aussieht.
Allerdings: „Noch gibt es gar keinen großen Leidensdruck, das Mikroplastik-Problem massiv zu bekämpfen“, bedauert Professor Halik, „da für Mikroplastik im Wasser kein Grenzwert existiert.“ Angesichts der stetig wachsenden Menge und der unabschätzbaren Gefahren, die auf den Menschen lauern, sofern Plastikpartikel in die Blutbahn gelangen, ist zu erwarten, dass sich das in naher Zukunft ändern dürfte.