„Innovation braucht Fokus und Geschwindigkeit“
© Schaeffler
Januar 2024

„Innovation braucht Fokus und Geschwindigkeit“

Von Daniel Pokorny
Ein dynamisches Marktumfeld erfordert einen klaren Fokus auf zukunftsgerichtete Innovationen. Uwe Wagner (59), Vorstand Forschung und Entwicklung, erklärt im Interview, wie sich die Innovationsstrategie von Schaeffler gestaltet und das Unternehmen seine Entwicklungsaktivitäten auf Kunde und Markt ausrichtet, um damit auch in Zukunft erfolgreich zu sein.

Herr Wagner, wie hat Schaeffler 2023 das Thema Innovation vorangetrieben?
Dieses Jahr hat die Schaeffler Gruppe im Bereich Innovation & Technology wichtige, zukunftsgerichtete Schritte gemacht. Zum einen haben wir im Sommer die strategische Positionierung der Schaeffler Gruppe als „Motion Technology Company“ vorgenommen. Damit zeigen wir klar: Bewegung ist das Kernelement unserer Produkte, die sich in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt haben. Deshalb haben wir diese strategisch in sechs Produktfamilien geordnet, um unsere Expertise für unterschiedliche Aspekte der Bewegungstechnik aufzuzeigen. Die Aufteilung lautet wie folgt: Sustain Motion, Energize Motion, Drive Motion, Generate Motion, Transmit Motion und Guide Motion. Neben dieser Ausrichtung bei den Produkten haben wir die Strategie „Innovation-to-Business“ konsequent vorangetrieben. Schaeffler steht aktuell vor vielfältigen Herausforderungen. Um in diesem Umfeld als Unternehmen erfolgreich zu bestehen, brauchen wir innovative Lösungen. Mit unserer Strategie richten wir Innovationen bei Schaeffler von Anfang an zielgerichtet auf eine erfolgreiche Umsetzung aus. Wir wollen Trends und künftige Bedarfe frühzeitig analysieren, Fokusfelder definieren und gezielt nach Potenzialen suchen. Anschließend entwickeln wir dann fokussiert die richtigen Ideen für unser künftiges Geschäft. Erfolgskritisch ist hier von Beginn an die Einbindung der Businessbereiche, da Innovation nicht im „Elfenbeinturm“ entsteht. Wir decken dabei das komplette Innovationsspektrum ab.

Wie kann man sicherstellen, die „richtigen“ Innovationen zu suchen?
Der richtige Fokus ist ausschlaggebend. Auf Basis der für Schaeffler relevanten Zukunftstrends einerseits und der Unternehmenskompetenzen andererseits haben wir sechs Innovationscluster für Produkte und zwei für Produktions­themen definiert – Energy Solutions, Material Solutions, eDrive Solutions, Mobility Solutions, Robotics Solutions, Digital Solutions, Advanced Manufacturing und New Production Concepts. Diese 6+2 Innovationscluster sind in ihrer engen Kombination aus Produkt- und Produktionsinnovation eine enorme Stärke von Schaeffler.

Was verbirgt sich hinter den Clustern?
In diesen Fokusfeldern analysieren wir in einem sehr breiten Feld unsere Innovationspotenziale. Zum Beispiel schauen wir uns sehr genau an, wie sich zukünftig die Mobilität oder die Erzeugung von nachhaltiger Energie gestalten wird. Hier nutzt Schaeffler sein großes Netzwerk an Forschungskooperationen mit Hochschulen und Forschungsinstituten ebenso wie das SHARE-Programm. Das Company-on-Campus-Konzept ermöglicht hier eine enge Zusammenarbeit unserer Mitarbeitenden und den Forschenden an strategischen Zukunftsthemen. Ideen, die hieraus entstehen, bewerten wir systematisch anhand ihrer Potenziale fürs künftige Geschäft. Unsere Innovationsprojekte verfolgen wir sehr stringent. Generell gilt: Innovation braucht Fokus und Geschwindigkeit.

Bei der Projektumsetzung arbeiten Sie in einem offenen Projekthaus. Was bedeutet das?
Schaeffler bezieht bei allen Innovationsprojekten von Anfang an die Businessbereiche mit ein. Projekte sind organisationsübergreifend organisiert: Die Projektteams in den Innovationsclustern setzen sich meistens aus Mitgliedern der Divisionen und Zentralbereiche zusammen. Gleiches gilt auch für die Besetzung der Leitungsfunktionen: Jeweils drei Kollegen aus dem Business sowie dem Zentralbereich leiten aktuell unsere sechs Produkt-Innovationscluster. In diesem Konzept halten wir gezielt Ressourcen und Budgets für organisationsübergreifendes Arbeiten vor, um Freiräume für neue Ideen zu schaffen.

„Innovation braucht Fokus und Geschwindigkeit“
Die sechs Produktfamilien von Schaeffler, die durch das Element der Bewegung miteinander verbunden sind© Schaeffler

Wie finden solche innovativen Ideen dann den Weg in die Umsetzung?
Von zentraler Bedeutung für die Umsetzung ist unsere Markt- und Kundenfokussierung. Hier leisten die Unternehmensbereiche in unseren Divisionen exzellente Arbeit. Sie kennen unsere Kunden, vor allem ihre Bedarfe und ihre „pain points“ – also die spezifischen Probleme, für die Schaeffler eine Lösung bieten kann. Nur so können wir die „richtigen“ Ideen entwickeln und daraus erfolgreiche Produkte realisieren. Wichtig ist aber auch die richtige Entwicklungsstrategie. Wir entwickeln immer mehr Systemprodukte, bei denen Elektronik, Software, Sensorik und vieles mehr eine entscheidende Rolle spielt. Zur Beherrschung dieser wachsenden Komplexität müssen wir bei Schaeffler Plattformen entwickeln, die wir dann in unseren Systemlösungen nutzen können.

„Innovation braucht Fokus und Geschwindigkeit“
Mit Forschungsprojekten wie im Bereich Brennstoffzelle arbeitet Schaeffler intensiv daran, zunehmend nachhaltige Produkte und Lösungen am Markt anzubieten© Schaeffler (Getty)

Welche Aspekte sind ebenso für eine erfolgreiche Innovation entscheidend?
Für effiziente Innovationsarbeit gibt es einige Aspekte, die man vielleicht auf den ersten Blick nicht unbedingt damit in Verbindung bringt, wie zum Beispiel die wichtige Rolle des Patentwesens und der Forschungsförderung. Das frühzeitige Analysieren der Schutzrechte-Situation ist entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung von Innovationen. Hier setzt Schaeffler schon sehr leistungsfähige, digitale Lösungen ein. Auch Kenntnis und professionelle Nutzung von Fördermöglichkeiten sind natürlich wichtig, und im Bereich Open Innovation gehen wir zusammen mit den Businessbereichen mittlerweile sehr effektiv bei der Suche und Kooperation mit innovativen Start-ups vor. Darüber hinaus gibt es noch weitere Themen wie das Systems Engineering und die dafür notwendige Engineering IT: Komplexe Systemprojekte lassen sich nur mit der richtigen Methode und den richtigen Entwicklungswerkzeugen erfolgreich umsetzen. Auch Themen wie Technische Compliance spielen schon früh in der Entwicklung eine wichtige Rolle, denn nur wenn wir die derzeitigen und zukünftigen regulatorischen Anforderungen kennen, können wir gezielt entwickeln und neue Potenziale identifizieren.

Welche Rolle spielt generell Nachhaltigkeit im Bereich Innovation?
Schaeffler verfolgt beim strategischen Thema Nachhaltigkeit sehr ehrgeizige Ziele für seine Produkte. Wir wollen die Reduzierung von CO2-Emissionen direkt im Produktent­wicklungsprozess integriert mit einplanen – eine Chance für eine Differenzierung. Dazu brauchen wir nachhaltige Innovationen als zentralen und festen Bestandteil unserer Innovationsstrategie.

„Innovation braucht Fokus und Geschwindigkeit“
Uwe Wagner, Vorstand Forschung und Entwicklung
© Schaeffler

„Schaeffler deckt das komplette Innovationsspektrum ab – von Innovationen in der detaillierten Umsetzung bis hin zu disruptiven, völlig neuen Lösungen.“

Lassen Sie uns nach vorne schauen: Was ist der nächste Meilenstein in Ihrem Bereich?
Dem nächsten Meilenstein kann man beim Entstehen direkt zusehen: Das Zentrallabor in Herzogenaurach nimmt immer mehr Gestalt an. In diesem hochmodernen Neubau wird Schaeffler spartenübergreifend in 15 Laboren Technologien und Produktlösungen der Zukunft schneller und fokussierter entwickeln. Der Bau ist ein zentrales Element der Roadmap 2025, um unsere Wettbewerbsfähigkeit und den Unternehmenserfolg auch in Zukunft nachhaltig zu sichern.

Wieso ist das Zentrallabor so wichtig?
Wir investieren hier zum Beispiel in die Bereiche Material, Oberflächen, Chemie und Nachhaltigkeit. Diese sind für unsere bestehenden wie auch neuen Produkte von zunehmender Bedeutung. Zum einen unterstützen unsere Tätigkeiten hier Schaeffler beim Erreichen der Nachhaltigkeitsziele, zum anderen weiten wir unseren „Materialbaukasten“ durch neue Produktentwicklungen stetig aus. Denken Sie zum Beispiel an die Wasserstofftechnik: Hier brauchen wir für die Herstellung von Elektrolysestacks oder Bipolarplatten für Brennstoffzellen ein fundiertes Know-how im Bereich der Elektrochemie. Im neuen Zentrallabor haben wir in eben diese Bereiche und darüber hinaus investiert. Beispielsweise werden wir ein neues Elektroniklabor inklusive einer EMV-Kammer bauen, um präzise elektromagnetische Untersuchungen vornehmen zu können.

Zum Schluss: Wie wird das Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk von Schaeffler weiter ausgebaut?
Aktuell haben wir einen weltweiten Verbund von 20 Forschungs- und Entwicklungsstandorten. Dieses Jahr haben wir ein hochmodernes Entwicklungszentrum zusammen mit neuen Test- und Laborflächen im slowakischen Kysuce eröffnet. In Bühl erweitert Schaeffler seinen Entwicklungs- und Fertigungscampus um einen weiteren Gebäudekomplex mit einem neuen Kompetenzzentrum für die E-Mobilität. Zusammen mit dem Zentral­labor sind dies deutliche Belege für unsere zukunftsgewandte und internationale Innovationsarbeit. Denn wir bei Schaeffler treiben Innovation als eine unserer strategischen Prioritäten konsequent voran, um unseren Erfolg und die Technologie­führerschaft im globalen Wettbewerb weiter auszubauen.