Himmelsstürmer
Der Flug zu den Sternen faszinierte schon immer die Menschheit. Schon im zweiten Jahrhundert verfasste Lukian von Samosata, der bedeutendste griechische Satiriker, den Text „Zum Mond und darüber hinaus“. Jules Vernes Romane „Von der Erde zum Mond“ (1865) und „Reise um den Mond“ (1870) waren weltweite Bestseller. Was damals noch als bloße Utopie angesehen wurde, wurde knapp 100 Jahre später durch rasante Technologiefortschritte Realität.
Doch statt Weltraumromantik und Abenteuergeist stand etwas anderes im Mittelpunkt: der Zweikampf zwischen den USA und der Sowjetunion. Den beiden Supermächten des Kalten Krieges ging es beim „Space Race“ vor allem um Prestige und Macht. Höhepunkt des Wettstreits waren schließlich die amerikanischen Apollo-Missionen, die von 1969 bis 1972 tatsächlich Menschen auf den Mond brachten. Der Aufwand und die Kosten für diese Projekte waren enorm und nur von Staaten zu bewältigen. So waren mit dem Apollo-Programm bis zu 400.000 Menschen beschäftigt, die Kosten betrugen weit über 100 Milliarden US-Dollar.
Die Privaten erobern das All
Doch spätestens mit dem Ende des Kalten Krieges veränderte sich die Ausrichtung der Raumfahrt. Die Bedeutung teurer bemannter Projekte nahm ab, die Bedarfe an Träger- und Satellitensystemen wuchsen dagegen stetig. NASA und Co können diese Nachfrage längst nicht mehr decken, private Unternehmen haben sich auf dem Markt etabliert. Bereits 1997 gab es von den Startplätzen in Florida erstmals mehr kommerzielle als staatlich beauftragte Raketenstarts. Wie groß der Bedarf an Trägersystemen ist, lässt sich an der Zahl der Satelliten erkennen. Waren 2018 knapp 1.900 künstliche Himmelskörper im Orbit unterwegs, waren es Ende 2020 bereits 3.372 – ein Anstieg um 77 Prozent. Die wirtschaftliche Bedeutung der Raumfahrt zeigt auch der Blick auf die Umsatzzahlen: Im Jahr 2019 machte die Raumfahrtbranche nach Zahlen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) einen Umsatz von 366 Milliarden US-Dollar. Die Investmentbank Morgan Stanley schätzt, dass dieser bis 2040 auf mehr als eine Billion US-Dollar steigen wird.
Vom IT-Treiber zum Nutznießer
Zentraler Faktor für den rasanten Aufstieg der privaten Raumfahrt sind die Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). „Vor 50 Jahren war die Raumfahrt Wegbereiter der IKT-Industrie. Heute ist es die IKT-Industrie, die den Takt in der Raumfahrt angibt. Die Dynamik des IKT-Sektors ist sehr viel höher als in der klassischen Raumfahrt, getrieben durch einen kurzen Generationszyklus von 2 bis 3 Jahren, hohen Wettbewerbs- und Innovationsdruck in Massenmärkten und die immer breitere Digitalisierung der globalen Wirtschaft und der privaten Lebenswelt“, heißt es in einer Studie, die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) erstellt wurde. Im digitalen Zeitalter ist die Raumfahrt der Schlüssel für Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren, Kommunikation, Industrie 4.0 und Big-Data-Anwendungen. Für die außen- und sicherheitspolitische Urteils- und Handlungsfähigkeit sowie den Klimaschutz ist sie unabdingbar.
11 Jahre
nach der vorerst letzten Recruiting Aktion sucht die europäische Weltraumagentur ESA wieder Astronautinnen und Astronauten. Dabei hofft man, dass der Anteil der weiblichen Bewerber deutlich über der vorherigen Quote von nur 16 Prozent liegen wird. Erstmals wird auch explizit nach Bewerbern und Bewerberinnen mit körperlichen Beeinträchtigungen gesucht. Die Bewerbungsfrist läuft noch bis zum 28. Mai.
Mittlerweile sind die privaten Unternehmen aus der Raumfahrt nicht mehr wegzudenken und haben diese teilweise revolutioniert. Ihre Vorteile: Sie sind agiler und innovativer als die alten, schwerfälligen staatlichen Weltraumbehörden. „Viele Gründer der amerikanischen NewSpace-Firmen kommen aus der IT-Branche und nutzen ihre in vorangegangenen Gründungen gewonnenen Erfahrungen und finanziellen Mittel. Ihre Geschäftsphilosophie zeichnet sich aus durch die Fokussierung auf die bedarfsgerechte Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, das Hinterfragen des Status quo, die Förderung innovativer Ideen abseits der Norm, auf strenge Kostenorientierung“, analysierte die BMWi-Studie weiter. Als Vorzeigeunternehmen gilt SpaceX. 2002 von Elon Musk gegründet, haben die Amerikaner ehrgeizige Ziele. Da ist zum einen das Projekt Starlink, mit dem der Milliardär und Elektroautopionier einen weltumspannenden, satellitengestützten Breitband-Internetzugang ermöglichen will. Bis Mitte März 2021 hat SpaceX bereits 21 Trägerraketen mit knapp 1.600 Satelliten in den Orbit geschossen. Das Tempo, das das Unternehmen dabei vorlegt, ist beeindruckend. Pro Monat wird das Netz um 120 künstliche Erdtrabanten vergrößert. Insgesamt sollen in den nächsten Jahren 12.000 Satelliten in eine niedrige Erdumlaufbahn gebracht werden, die vom Boden erhaltene Daten per Laser untereinander weiterleiten sollen.
Raketen aus dem 3D-Drucker
Mit seinen Modellen Falcon- und Falcon Heavy ist SpaceX inzwischen Weltmarktführer bei Raketenstarts und verdrängte das etablierte Betreiberkonsortium Arianespace. Vorteile: Die Falcons werden in Serie produziert – Bauteile kommen dabei auch aus dem 3D-Druck – und wiederverwendet. Das senkt die Kosten deutlich. Inzwischen vertrauen auch staatliche Weltraumagenturen auf die Raketen. So versorgen die SpaceX-Raumschiffe seit 2012 die internationale Raumstation ISS, im Mai 2020 dockte erstmals ein Dragon 2 mit Astronauten an. Das große Ziel von Elon Musk bleibt jedoch der Griff zu den Sternen: SpaceX ist mitten in der Entwicklung wiederverwendbarer Raketen und Raumschiffe, die bemannte Flüge zum Mond und später zum Mars ermöglichen sollen. Musks Traum: dort nicht nur wissenschaftliche Forschung zu betreiben und nach Rohstoffen zu suchen, sondern den roten Planeten dauerhaft zu besiedeln.
Neben Musk sind weitere risikobereite Milliardäre der Raumfahrt verfallen. Jedoch liegen Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos sowie Virgin Galactic von Richard Branson technisch noch zurück. Bezos plant ebenfalls ein Satellitennetz, das Breitbandinternet in entlegenen Gebieten ermöglichen soll. Bransons Unternehmen sieht seine Chance vor allem im Weltraumtourismus. Virgin Galactic setzt dabei ebenfalls auf wiederverwendbare Raumschiffe. Diese sollen von einem Flugzeug auf eine Höhe von fast 14 Kilometer gebracht werden, sich dort ausklinken und anschließend mit dem eigenen Raketenantrieb bis in den Weltraum vorstoßen und anschließend wieder auf der Erde landen. Rund 8.000 Personen haben bereits online ihr Interesse an den zweistündigen, 250.000 US-Dollar teuren Weltraumflügen bekundet, rund 600 Tickets sind bereits fest verkauft worden. Zu den Flugkandidaten zählen unter anderem Leonardo DiCaprio und Justin Bieber. Ab wann die Flüge stattfinden, steht jedoch noch nicht fest. Dennoch plant Branson schon touristische Flüge um den Mond.
Klein ist Trumpf
Aber auch kleine, ambitionierte Start-ups sehen roße Chancen, in der Raumfahrt Fuß zu fassen. Während früher die Satelliten groß wie Busse und tonnenschwer waren, dominieren heute kompakte Mini-, Mikro- und Nanosatelliten, die teilweise weniger als 10 Kilogramm wiegen. Ein entscheidendes Kriterium für eine preisbewusste Raumfahrt, kostet doch jedes Mehrgewicht extra. Aktuell werden bei einem Raketenstart 30.000 bis 60.000 Euro pro Kilogramm berechnet. Die sich rasch ändernden Anforderungen und Rahmenbedingungen schaffen ideale Voraussetzungen für kleine, effiziente Firmen, die schnell auf die Erfordernisse des Marktes reagieren können. Ein Beispiel für ein solches Start-up ist das bayerische Unternehmen Isar Aerospace, das mit nur 150 Mitarbeitern die erste Trägerrakete Made in Germany baut. Ende 2021 soll sie das erste Mal starten. Innovationsfreude zeichnet auch Morpheus Space aus. Die Sachsen bauen die weltweit kleinsten und effizientesten Satellitenantriebe. Diese wiegen nur wenige Hundert Gramm. Eines der Ziele von Morpheus Space, das von Studierenden der TU Dresden gegründet wurde: die Vermeidung von Weltraumschrott und eine nachhaltigere Raumfahrt. „Wir geben auch den kleinsten Satelliten erstmals die Möglichkeit, aktiv gesteuert zu werden und anderen Satelliten ausweichen zu können“, sagt CEO und Mitgründer Daniel Bock. „Sie stellen dadurch keine Gefahr mehr für andere Satelliten dar – zuvor waren diese kleinen Satelliten vollständig unkontrolliert unterwegs.“ Das Forbes Magazin zählt Morpheus zu den wichtigsten „Spin-offs to watch 2021“.
257 Männer und 51 Frauen
haben die USA bisher ins All gebracht, das entspricht einer Quote von 63,5 Prozent aller Menschen, die seit Beginn der bemannten Raumfahrt im Jahr 1961 die Erde von oben betrachtet haben. Russland liegt mit 118 Kosmonauten und Kosmonautinnen auf Platz zwei. Japan ist mit zehn Astronauten und zwei Astronautinnen abgeschlagener Dritter, aber noch vor China und Deutschland. Deutschland ist das einzige Land in der Spitzengruppe, das bisher nur Männer ins All gebracht hat.
Schwimmende Startrampen
Aufgrund der neuen Anforderungen der NewSpace- Bewegung gibt es einen wachsenden Bedarf an mobilen Raketenstartplätzen. Um dicht bebauten Ballungsräumen aus dem Weg zu gehen, sind Offshore-Plattformen ideal geeignet. So gibt es in Deutschland beispielsweise Pläne, auf der Nordsee einen Weltraumbahnhof zu realisieren. Deutlich kleinere Trägersysteme mit leichten Satelliten machen es möglich. Eine Äquatornähe ist wegen der schwindenden Systemgewichte nicht mehr notwendig. „Selten hat es in der Geschichte der Raumfahrt so spannende Zeiten gegeben wie jetzt“, sagt Marco R. Fuchs, Vorstandsvorsitzender des OHB SE, des ersten börsennotierten Technologie- und Raumfahrtkonzerns Deutschlands. „Start-ups mit ernsthaften Plänen zur kommerziellen Eroberung des Weltraums schießen förmlich aus dem Boden. Als ‚Start-up mit Lebenserfahrung‘ können wir den etablierten Markt bedienen und auf neue Herausforderungen schnell und agil reagieren.“
Doch nicht nur private Anbieter entwickeln neue Weltraumprojekte. Auch neue Nationen drängen auf den Markt. Während China mittlerweile mehrere eigene Projekte lanciert und zusammen mit Russland eine Mondstation plant, haben auch andere Nationen ehrgeizige Pläne. Israelische und indische Raumkapseln kamen bereits bis zum Mond, konnten ihre Missionen aber nicht abschließen. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate wollen die Raumfahrt nutzen, um eine eigene Hightech-Industrie zu entwickeln und sich für eine Zukunft ohne fossile Rohstoffe zu rüsten. Es ist unverkennbar: Auch nach Jahrhunderten der Träumereien über den Vorstoß ins Universum steckt noch unendlich viel Fantasie in dem Thema – frei nach Jules Verne: „Alles, was ein Mensch sich heute vorstellen kann, werden andere Menschen einst verwirklichen.“
Hoch hinaus
Mit der Schaeffler Aerospace GmbH ist der Schaeffler-Konzern bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert ein wichtiger Partner für Luft- und Raumfahrtunternehmen und hat einen weltweiten Kundenstamm. 1969, im Jahr der ersten bemannten Mondlandung, wurde bei der damaligen FAG Kugelfischer der „Erzeugnisbereich Fluglager“ gegründet, der von Anfang an über einen eigenständigen Vertrieb und eine eigenständige Entwicklung verfügte. Schnell überzeugten die Produkte des neuen Geschäftszweigs. So absolvierte 1972 der Airbus A300 mit FAG-Kugellagern seinen ersten Flug, in den folgenden Jahren baute das Unternehmen seine Zusammenarbeit mit nahezu allen renommierten Triebwerkherstellern aus. Heute sind in fast allen Flugzeugen Lager der in Schweinfurt heimischen Schaeffler-Sparte im Einsatz.
Mitte der 1990er-Jahre folgte der Schritt in den Weltraum. Eine entscheidende Rolle spielte dabei der Werkstoff Cronidur 30. Dieser wurde 1991 gemeinsam mit der VSG Energie- und Schmiedetechnik Essen und der Universität Bochum entwickelt. Der speziell gehärtete Hochleistungsstahl hat gegenüber herkömmlichem Lagerstahl einige Vorteile: Er hat zehnfach höhere Lebensdauerwerte und übertrifft diesen auch bei den Kriterien Korrosionsbeständigkeit und Warmhärte. Damit eignet er sich ideal für die Raumfahrt. Seit 1995 wird Cronidur 30 für Spezial-Wälzlager in Raketentriebwerks- Turbopumpen verwendet. So auch aktuell in den Trägerraketen für das Artemis- Projekt der NASA. Die Pumpen erzeugen Drücke von bis zu 450 bar, dabei rotieren die Turbinen in den Pumpen mit Drehzahlen von bis zu 35.000 U/min. Und das ohne mit Fett oder Öl geschmiert zu sein. Denn der als Treibstoff genutzte flüssige Wasserstoff ist auf minus 200 Grad heruntergekühlt – zu kalt für eine fluide Schmierung. Immerhin: Die frostigen Temperaturen verhindern auf der anderen Seite auch ein Überhitzen.
Aber nicht nur im Bereich der Triebwerke zählt Schaeffler zu den wichtigen Partnern der NASA. Bei der aktuellen Marsmission, die am 18. Februar auf dem Roten Planeten gelandet ist, liefert das Unternehmen Teile für den Skycrane der Landefähre, der den Rover Perseverance auf der Oberfläche des Planeten abgesetzt hat. Im Artemis- Projekt, das erstmals seit 1972 wieder Menschen (u. a. die erste Frau) auf den Mond bringen will, ist Schaeffler ebenfalls in anderen Bereichen aktiv. So liefert Schaeffler Aerospace auch Teile für das dazugehörige Raumschiff Orion.
Ein weiterer Ausbau des Geschäftsbereichs zeichnet sich ab. „Wir verfolgen die wachsende Zahl an Raumfahrt-Projekten mit großem Interesse und sind dank unserer in vielen Jahrzehnten gewachsenen Expertise, insbesondere im Bereich Material und Fertigung, mit vielen Akteuren im Gespräch“, sagt Armin Necker, Geschäftsführer von Schaeffler Aerospace.