Dr. Digital
Teamwork im OP-Saal: Roboter assistieren Chirurgen
Dr. med. Rob. erobert zusehends den Operationssaal. Weltweit erfolgten bereits mehr als sechs Millionen roboterassistierte Operationen. Die Betonung liegt hier auf „assistiert“, denn der Roboter denkt und lenkt nicht, er führt lediglich Befehle des Chirurgen aus. Dieser sitzt abseits des OP-Tischs an einer Konsole und steuert die vier Arme des Roboters mit einem Joystick. Einer der Arme führt eine 3D-Kamera, deren Bilder das OP-Feld zehnfach vergrößert darstellen. Mittels einer exakten mathematischen Skalierung können die Bewegungen des Arztes nicht nur übertragen, sondern sogar um den Faktor 3 präziser ausgeführt werden. Selbst ein mögliches Zittern der Chirurgenhand wird herausgefiltert. Aktuell gibt es lediglich ein einziges medizinisches Robotersystem auf dem Markt: den Operationsroboter da Vinci der US-amerikanischen Firma Intuitive Surgical. Erfahrene Operateure können mit dem da Vinci fast jeden Eingriff im Becken, Bauchraum oder Brustkorb durchführen. Natürlich erfordern auch roboterassistierte OPs ein gewisses Maß an Übung. Besonders gewöhnungsbedürftig ist die fehlende haptische Rückmeldung während des Eingriffs.
Roboter halten zusehends auch in anderen Bereiche des Gesundheitssystems Einzug: Am Uni-Klinikum im dänischen Aalborg sortieren die mechanischen Helfer täglich Tausende Blutproben, Bildschirme haltende Roboter verbinden in Altersheimen Menschen in Quarantäne per Video mit ihren Familien (siehe auch Abschnitt Pflege). In Kliniken in den spanischen Städten Palma de Mallorca, Barcelona und Madrid sollen Roboter Corona-Tests durchführen. Die 100.000-Euro-Anlagen können bis zu 2.400 Proben pro Tag entnehmen und analysieren.
54 % der Menschen
weltweit sind bereit, sich im Gesundheitswesen auf KI und Robotik einzulassen.
Quelle: PwC Deutschland
Digitale Sprechstunde
Diese Zahlen unterstreichen, wie Corona die Digitalisierung der Medizin beschleunigt hat: Nutzten im Februar 2020 schon 1.700 Arztpraxen in Deutschland Videosprechstunden, stieg diese Zahl bis April auf 25.000 an, was einem Wachstum von 1.470 Prozent entspricht. Europaweit stieg das Interesse an Videosprechstunden allein im April explosionsartig um 1.000 Prozent Auch die in London und Hamburg beheimatete Internet-Arztpraxis-Plattform Zava vermeldet einen Ansturm: Um 60 Prozent sei die Anzahl der Telefon- und Onlinesprechstunden in den ersten Corona-Monaten laut eigenen Angaben hochgeschnellt – das sei ein größeres Wachstum als in den zehn Jahren zuvor zusammengenommen.
Quelle: Telemedizin Report Deutschland 2020
Zava-Chef David Meinerz ist überzeugt, dass sich physische Arztbesuche durch digitale Sprechstunden, wie sie seine Firma oder Mitbewerber wie Teleclinic oder Kry anbieten, zumindest in Deutschland von durchschnittlich zehn auf vier bis fünf reduzieren werden. Das unkomplizierte Prozedere spricht für die digitale Sprechstunde: Mittels einer App suchen sich Patienten ihre Ärzte und die Fachrichtungen, die sie benötigen, direkt aus und vereinbaren einen Termin. Und der dürfte sich wegen der deutlich ausgeweiteten Sprechzeiten schneller finden lassen als bei einem niedergelassenen Mediziner. Zava bietet zum Beispiel Sprechstunden von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr an, am Wochenende von 8 bis 20 Uhr. Und das auf Deutsch, Englisch und Französisch. Diese breiten Zeitfenster sind nicht nur für Patienten von Vorteil, sondern auch für Mediziner, die flexible Arbeitszeiten bevorzugen. Damit könnten auch Ressourcen ins System gebracht werden, die aktuell brachliegen, beispielsweise von Ärzten, die zu Hause ihre Kinder betreuen und stundenweise Kapazitäten anbieten können. Außerdem ließen sich Notaufnahmen in Krankenhäusern entlasten, wenn es für den Patienten bequemer ist, sich online eine Erstdiagnose einzuholen.
Als Hürden für ein weiteres Highspeed-Wachstum der Telemedizin haben sich hohe Datenschutzmaßnahmen (siehe Infokasten unten) und Unklarheiten bei der Kostenübernahme durch die Krankenkassen erwiesen. Die Telemedizinanbieter arbeiten mit Hochdruck daran, beide Hindernisse aus dem Weg zu räumen.
Datenschutz kontra Datenfluss
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bringt das Dilemma gern auf den Punkt: Datenschutz sei was für Gesunde. Heißt im Umkehrschluss: Kranke würden von einem möglichst ungebremsten Datenfluss profitieren. Weil KI-basierte Diagnostik ebenso hochqualitative Daten braucht wie Forschungsdatenbanken oder die Entwickler medizintechnischer Geräte. Weil vernetzte Medizingeräte im Internet der Dinge Daten austauschen müssen. Und weil ein reibungsloser Datenaustausch bei Notfällen den Unterschied zwischen Leben und Tod machen kann. Aber genau dieser Datenfluss wird nicht nur durch die jahrzehntealte medizinische Schweigepflicht erschwert, sondern auch durch einen undurchdringlichen Dschungel verschiedenster Datenschutzgesetze weltweit. Wobei der Schutz persönlicher und medizinischer Daten fraglos wichtig ist.
Die Bertelsmann Stifung zeigt in einer Roadmap Digitale Gesundheit Lösungsansätze auf:
- Einheitliche elektronische Patientenakten als Behandlungsmanagement-Plattform mit geregelten Zugriffsrechten.
- Eine zumindest landesweite Daten-Linkage-Infrastruktur nach Vorbild des australischen Population Health Research Network. Das Netzwerk in Down Under ermöglicht den Austausch und die Verknüpfung von Daten zwischen den Datenproduzenten und -verwaltern sowie den Akteuren, die sie nutzen wollen. Letztere müssen sich die Einwilligug bei allen relevanten Datenverwaltern und einem Ethikkomitee des Netzwerks einholen. Linkage-IDs stellen sicher, dass die Daten einer Person zwar pseudonomysiert verknüpft werden können, aber kein Dritter Zugang zu persönlichen Informationen hat.
- Ermöglichen von freiwilligen Datenspenden.
- Ein kohärenter Rechtsrahmen, der Akteuren mit gesellschaftlich relevantem Verwendungsinteresse Zugang zu Routinedaten, aber auch anderen anonymisierten oder pseudonymisierten Daten des Gesundheitswesens verschafft.
Organe aus dem 3D-Drucker
Über Ersatzteile für Autos und Haushaltsgeräte aus dem 3D-Drucker wundert sich heute kaum noch jemand. Die digitale Technologie, in der industriellen Produktion auch additive Fertigung genannt, erlaubt aber auch in der Medizin personalisierte und individuelle Hilfsmittel und Produkte. Das Spektrum reicht von Prothesen wie künstlichen Gelenken und Zahnersatz bis zu individualisierten anatomischen Modellen, an denen Ärzteteams komplizierte Operationen trainieren. Durch ein Lungengewebe-Modell aus dem 3D-Drucker können Forscher beispielsweise besser bestimmen, wie Covid-19-Viren im Körper wirken. Der Hersteller Carbon 3D hat zusammen mit US-amerikanischen Universitäten einen Filter entwickelt, der überschüssige Chemo-Medikamente bei einer Krebstherapie entfernt und so die Beschädigung gesunden Gewebes verhindert. Dank 3D-Druck können diese Filter individuell auf jeden Patienten angepasst werden. Selbst die Herstellung von maßgeschneiderten Pharmazeutika ist dank der additiven Fertigung inzwischen etabliert. Bereits 2015 kam mit Spritam, einem Medikament zur Behandlung von Epilepsie, die erste maßgeschneiderte Pille auf den Markt. Sie ermöglichte für jeden Patienten eine individuelle, speziell auf ihn abgestimmte Dosis. Forscher arbeiten bereits an der additiven Produktion von Organen und Organteilen. Herz, Leber und andere Organe können dann aus DNA-Stammzellen nachgebildet werden. Wartelisten für Transplantationen gehören dann möglicherweise der Vergangenheit an.
KI in der Diagnostik
In verschiedenen Studien hat künstliche Intelligenz schon heute Trefferquoten erreicht, die denen erfahrener Mediziner entsprechen – oder diese sogar übertrafen. In einer an der University of California durchgeführten Pilotstudie erkannte KI anhand von Gehirnscans Frühstadien von Alzheimer mit einer Trefferquote von 100 Prozent – und dies durchschnittlich sechs Jahre vor der tatsächlichen Diagnosestellung. Bei einer internationalen Studie aus dem Jahr 2018 traten 58 Dermatologen gegen ein KI-System in der Hautkrebserkennung an. Die Mediziner kamen dabei auf eine Trefferquote von 86,6 Prozent, die KI lag bei 95 Prozent. An der New Yorker Mount Sinai School of Medicine wurde eine Methode entwickelt, die auf Basis der Auswertung natürlicher Sprache ermittelt, ob Jugendliche in den nächsten beiden Jahren an einer Psychose erkranken. Die im Januar 2018 vorgestellte KI-Diagnose erzielte eine Treffergenauigkeit von 83 Prozent. Vorteil von KI gegenüber einem Menschen: Sie kann komplexe Daten in Sekundenschnelle auswerten. Und im Unterschied zum menschlichen Gehirn ermüdet KI nicht und kann nicht abgelenkt werden.
Auch das haben Forschungsprojekte gezeigt: KI kann mitunter früher sowie präziser diagnostizieren als etablierte Methoden. Und dieses Know-how kann überall auf der Welt kostengünstig eingesetzt werden. Auch bei der Entwicklung von Medikamenten kann KI in die Analyse eingebunden werden und so viel Entwicklungszeit und damit letztlich Geld sparen. Die Unternehmensberatung PwC schätzt das Einsparpotenzial durch KI allein in den Bereichen Demenz, Adipositas und Brustkrebs in den kommenden zehn Jahren auf 172 Milliarden Euro. Dabei steht die Entwicklung von künstlicher Intelligenz in der Diagnostik erst am Anfang. Je komplexer die Systeme werden, desto besser können verschiedene Datenquellen (CT, MRT, DNA-Analyse und Zellforschung, Patientendaten und sogar handschriftliche Dateien) für die Beurteilung einer Krankheit kombiniert werden. Die Ärzteschaft wird zwar ihr Wissensmonopol durch KI verlieren, nicht aber ihre Bedeutung insgesamt. KI wird den Arzt bei der Diagnose unterstützen, indem das System auf Basis seiner Erfahrungswerte eine Diagnose vorschlägt. Für die Überprüfung, Bestätigung oder gegebenenfalls Verwerfung der Hypothese bleibt der behandelnde Arzt aber unerlässlich, ebenso wie für die Behandlung.
IoT in der Medizin
Auch die Medizin hat die Vorteile des Internets der Dinge längst für sich erkannt und entwickelt immer mehr Anwendungen. Healthcare 4.0 nennt sich dieses Feld der Industrie 4.0. Diabetiker, Herz-Kreislauf- oder auch Dialyse-Patienten – viele chronisch Kranke sind darauf angewiesen, dass einzelne Körperwerte und -funktionen permanent überwacht werden. Ein medizinisches Condition Monitoring, für das vernetzte Geräte maßgeschneidert sind. Aber auch Behandlungen und Diagnosen aus der Ferne werden möglich – ideal für Notfallpatienten und für Kranke in entlegenen Gebieten. So steuerten chinesische Ärzte im Februar 2020 im Krankenhaus von Zhejiang über ein 5G-Highspeed-Datennetz eine Ultraschalluntersuchung im 700 Kilometer entfernten Wuhan, damals ein abgeriegelter Corona-Hotspot. Durch die hohen Übetragungsraten der neuen Mobilfunktechnik war es den Medizinern möglich, die riesigen Datenmengen der Bilder fast in Echtzeit anzuschauen.
Robotik in der Rehabilitation
Bereits in den 1990er-Jahren setzten Therapeuten Robotik zur Unterstützung ihrer Arbeit ein und zählen damit zu den Pionieren im Gesundheitsbereich. Mittlerweile sind in der Rehabilitation weltweit unterschiedlichste Versionen von Robotern im Einsatz, um mit Patienten das Gehen, die Bewegung der Arme oder nach einer Nervenschädigung das Sprachsystem zu trainieren. Auch hier gilt wie im OP oder bei der Diagnostik: Die Roboter unterstützen und entlasten die Fachkräfte, ersetzen sie aber nicht. Wissenschaftlich bestätigt ist die Erkenntnis, dass Intensität, Wiederholung und früher Beginn der Rehabilitation die Heilungschancen massiv erhöhen. Nimmermüde und stets einsatzbereite Roboter können dabei eine große Hilfe sein. Durch die Aufzeichnung bestimmter Trainingsparameter wie Anzahl der Schritte, Aufwand an Kraft oder Koordination der Bewegung kann die Maschine eine direkte Rückmeldung geben, die motivierend wirken kann.
Roboter in der Pflege
Mit der Lebenserwartung der Menschen wächst auch ihr Pflegebedarf. Aber schon heute gibt es zu wenig Personal dafür – und die Lücke wird größer. 2030 sollen laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung allein in Deutschland 500.000 Pflegekräfte fehlen, in Japan sollen es nach staatlichen Schätzungen fast 400.000 sein. Ein Ausweg: Roboter. Die Bandbreite der Einsatzzwecke ist groß. Es gibt sogenannte Exoskelette, die Pfleger beim Umheben von Patienten unterstützen, oder Maschinen, die Essen, Trinken oder Wäsche ausfahren. Während der Corona-Pandemie haben chinesische Krankenhäuser 2.000 Desinfektionsroboter beim dänischen Hersteller Blue Ocean Robotics geordert. Es gibt Roboter, die gymnastische Übungen vormachen. Oder sozial-humanoide Blechmännchen, die durch ihre Interaktion mangelnde Sozialkontakte und – so komisch es auch klingt – fehlende menschliche Wärme ausgleichen können. Ein globaler Bestseller dieser Spezies ist die Roboter-Robbe Paro mit Knopfaugen und weißem Kuschelfell. Über 4.000 dieser 5.000 Euro teuren Therapie-Tiere sind weltweit im interaktiven Einsatz. Bei Krebspatienten, bei autistischen Kindern oder auch Alzheimer-Patienten. Dem hohen Anschaffungspreis der Maschinen stehen wichtige Vorteile entgegen: Roboter können rund um die Uhr eingesetzt werden, sie werden nicht krank und gehen nicht in den Urlaub.
Nanoroboter gleiten durch den Körper
1966 schrumpfte sich eine Forschergruppe auf Virengröße und fuhr mit einem Mikro-U-Boot durch einen menschlichen Körper – zumindest in dem Science-Fiction-Film „Die phantastische Reise“. Vom Schrumpfen von Ärzten sind wir noch immer weit entfernt, aber erste winzige Nanoroboter sind von Medizinern schon erfolgreich durch menschliche Gefäße manövriert worden. Ihr Antriebspropeller ist 200-mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Das Fernziel dieser Hightech-Medizin: Operationen in schwer zugänglichen Körperregionen oder auch der punktgenaue und damit nebenwirkungsarme Medikamententransport. Bei Versuchen an Mäusen ist es schon gelungen, mit Nanobots Tumore und Metastasen zu bekämpfen. Die Medizin hat entsprechend riesige Erwartungen an die winzigen Geräte.
Auf die Gesundheit
Schaeffler stellt seinen Mitarbeitern an deutschen Standorten mit dem Schaeffler Health Coach ein umfängliches Gesundheitsportal zur Verfügung. Mit dem Portal, das sowohl als App wie auch als Desktopversion genutzt werden kann, gelingt es dem Gesundheitsmanagement, alle Schaeffler-Mitarbeiter zu erreichen. Sämtliche Gesundheitsangebote, die für den Mitarbeiter zur freien Anmeldung zur Verfügung stehen, sind im Schaeffler Health Coach einzusehen. Des Weiteren werden regelmäßig aktuelle News zum Thema Gesundheit sowie Gesundheitstipps hochgeladen. Das Tool ist bereits seit Ende 2018 aktiv und wurde im April 2019 um den wichtigen Faktor Telemedizin erweitert. Damit ist es dem Mitarbeiter rund um die Uhr möglich, medizinische Beratung zu erhalten.