Der Vordenker
Mobilität
Mobilität ist ein Thema, das im wahrsten Wortsinn die Welt bewegt. Die Bewohner von Entenhausen sind da keine Ausnahme. Allen voran Daniel Düsentrieb. Was hat der Meistertüftler (Eigenwerbung: „Erfindungen nonstop“) mit dem markanten Zwicker auf dem Schnabel nicht alles ersonnen, um sich selbst und seine Mitbürger von A nach B zu bringen. Vor allem liebt Düsentrieb das Fliegen. „Du schwebst und bist nun endlich frei“, sinniert Düsentrieb über einen ewigen Menschheitstraum. Ob mit motorisierten Märchenklassikern wie Hexenbesen oder Teppichen, mit Hoverboard-artigen Flugrollern – der Hollywood-Klassiker „Zurück in die Zukunft“ lässt grüßen – oder mit Flugautos. Klar, auch eine fliegende Untertasse findet sich in Düsentriebs Garage. Zisch und weg. Aber wie so viele Genies hadert auch der schlaue Hahn mit seinem Werk. „Fort mit dir“, bepöbelt er in der Geschichte „Zurück zur Natur“ seine fliegende Untertasse. „Verkehrsmittel sind das schlimmste Erzeugnis der modernen Technik. Wozu hat man zwei Beine!“ Düsentrieb bricht zu einem Abenteuermarsch auf – und muss von zwei Robotern gerettet werden. Technik: Fluch und Segen gleichermaßen. Mit dieser Ambivalenz lässt Düsentrieb-Erfinder Carl Barks seine Figur stellvertretend für die Menschheit immer wieder kämpfen. Letztlich obsiegt der Glaube an den technischen Fortschritt. Weil er eben Gutes bewirken kann, wenn er nicht nur „höher, schneller, weiter“ als Ziel hat, sondern zum Beispiel auch Effizienz. Und die hat Düsentrieb immer wieder im Lastenheft seiner Erfindungen stehen. Ja, man kann sogar sagen: Der gezeichnete Erfinder ist ein Öko-Pionier. Ein Weltretter aus Überzeugung.
Zwischen Wahnsinn und Verstand ist oft nur eine dünne Wand
Daniel Düsentrieb
Der Natur- und Tierfreund entwickelt eine lautlose Rakete (Düsentriebs Geburtsjahr 1952 kreuzt den Beginn des Jet-Zeitalters), er greift auf Bio-Sprit zurück (sein Flugroller verbraucht ein Brauseglas Erdnussöl auf 100 km) und lässt sein Auto von einem Perpetuum mobile antreiben, während eine Solarzelle die Bordelektrik mit nachhaltiger Energie versorgt. Damit bringt er Tankwart Donald Duck zur Weißglut. Den Kragen seines Matrosenanzugs platzend schreit der Erpel: „Ja, spinnen Sie? Warum halten Sie an einer Tankstelle, wenn Ihre Kiste so ein modernes Wunder ist, dass sie nichts, aber auch gar nichts braucht?!“ Wünsch, wünsch. Genau so ein Auto hätten wir heute nur allzu gern. Spannend ist auch, was Autor Carl Barks seinen nimmermüden Innovator 1964 mit einem Raketenrucksack machen lässt. Düsentrieb düst nicht einfach sinnbefreit durch die Lüfte, no, no. Er nutzt die gewonnenen Fähigkeiten, um in Windeseile eine Brücke zu lackieren. Ob Barks gewusst hat, dass er damit den Vorläufer einer Drohne als fliegenden Arbeitshelfer erschaffen hat?
Intelligente Maschinen
Künstliche Diener erblicken in Entenhausen regelmäßig das Licht der Comicwelt. Daniel Düsentrieb sei Dank. Maschinen, Roboter und Alleskönner-Computer, die den Alltag erleichtern sollen, haben es dem Gehirnakrobaten mit der schier unerschöpflichen Kreativität angetan: „Ich glaube, diesmal ist mir ein Meisterstück gelungen … ein Roboter, der meine Gedanken lesen kann und danach handelt.“ Roland tauft der Schöpfer seine innovative gelbe Blechbüchse – vor mehr als 60 Jahren ist emanzipatorisch offenbar nicht vorgesehen, weibliche Vornamen zu wählen. Apropos Alexa, Siri und Co.: Düsentriebs Erschaffer Barks zeichnet schon 1958 die Frühform heute gängiger Sprachassistenten: „Mensch fragt, Maschine antwortet“, nur zwei Jahre nachdem einer seiner Landsmänner den Begriff „Künstliche Intelligenz“ ersann und lange bevor KI millionenfach Einzug in unsere Haushalte hielt. Der denkende Roboter Rudi (Sie merken: Die Namensvergabe hat System) hat allerdings noch ein paar Macken („Ich richte zwei vernünftige Fragen an ihn und erhalte zwei sinnlose Antworten.“). Stöhn! Erinnert aber auch wieder an Siri („Ich verstehe deine Frage nicht“).
Niemand kann einen Apparat intelligent genug konstruieren, als dass es nicht doch irgendeinen Idioten gäbe, der zu dumm wäre, um ihn zu benutzen
Daniel Düsentrieb
Und trotzdem tüftelt der „Ingeniör“ immer weiter am Verschmelzen von maschineller und biologischer Intelligenz. Bei Mensch und Tier. Die Fusion zweier Welten. Beim Panzerknacker lässt der rechtschaffene Erfinder seine Intelligenzmaschine aber nur auf halber Kraft laufen („Wenn er glaubt, dass ich ihm bei seinen gesetzeswidrigen Absichten helfe, dann täuscht er sich.“). Die Fauna bringt Daniel „Doolittle“ Düsentrieb mittels eines Denkapparates und Intelligenzstrahlen zum Plappern. Stante pede äußert ein Wolf seinen Heißhunger auf Entenbraten. Jamm! Alarmstufe Rot in Entenhausen. Verständlich. Interessant ist auch der metaphysische Charakter vieler Maschinen. Allen voran Düsentriebs legendäre Phantasiermaschine. „Unter der Haube erlebt man alles, was man sich in seiner Phantasie vorstellt, gewissermaßen wirklich“, schwärmt der Kult-Erfinder. Seine frühe, aber schon fortgeschrittene Antwort auf Virtual Reality.
So heißt Daniel Düsentrieb in anderen Sprachen
- Englisch: Gyro Gearloose
- Dänisch: Georg Gearløs
- Estnisch: Leidur Leo
- Finnisch: Pelle Peloton
- Französisch: Géo Trouvetou, Géo Trouvetout
- Niederländisch: Willie Wortel
- Norwegisch: Petter Smart
- Polnisch: Diodak
- Portugiesisch: Prof. Pardal
- Slowenisch: Profesor Umnik
- Spanisch: Ungenio Tarconi
Mit Schrecken stellt Daniel Düsentrieb anno 1964 fest, dass sein Traumbild von einer vollautomatisierten Stadt zum Albtraum mutiert ist. Der Entenhausenkosmos erleidet eine tiefdepressive Episode. Grund: Es gibt für die Bewohner kaum noch etwas zu tun. Teilautonom fahrende Schwebomobile mit selbsttätigen „Abstandszischern“ kutschieren Donald und Co. sicher zu ihren Zehn-Minuten-Schichten in die von Robotern dominierten Fabriken. Gleitbahnen ersparen das Zufußgehen. Und Tonbandgeräte mit Kopfkissenzuflüsterern vermitteln Tick, Trick und Track Schulstoff im Schlaf. Gähn!
Selbst die Spielsachen spielen von selbst. Auch Düsentrieb bläst Trübsal, da eine Menschmaschine seine Erfinderarbeit übernommen hat. Dem Schlaukopf platzt endgültig der Kinnriemen seines gelben Hutes: „Nehmt einen Hammer und schlagt alles kaputt!“ Whank! Bong! In den Stahlwerken wird gejubelt: „Die Automaten sind kaputt. Sollen wir wieder selber erschaffen? Ja! Los! Bravo! Hurra!“ Auch diese Kurzgeschichte greift den Zeitgeist auf, denn keine zwei Jahre zuvor nimmt der weltweit erste Roboter bei Autobauer GM in Detroit seine Arbeit auf. Staun, stöhn. Denn einerseits wecken die emsigen Maschinen schon damals die Fantasie, was man mit ihnen alles so anstellen könnte. Anderseits schürten sie die Angst vor Massenentlassungen. Heute weiß man: Sowohl die Maschinen als auch die Digitalisierung haben bislang mehr Arbeitsplätze geschaffen als vernichtet und nehmen uns viele wenig erfüllende Tätigkeiten ab.
Kein Roboter soll mir das Schönste wegnehmen, was ich habe … die Arbeit. (…) Die Welt ist für die totale Automation noch nicht reif
Daniel Düsentrieb
Düsentriebs treuer Gefährte
„All meine Freunde verlassen mich. Mir bleibt nichts als mein kleiner Helfer”, klagte Düsentrieb dereinst wehmütig. Helferlein – ein kleines Glühlampenmännchen aus Draht und Dichtungsringen – begleitet ihn in fast all seinen Abenteuern und hilft dem Erfinder mehr als einmal aus der Patsche. Denn im krassen Gegensatz zu Düsentriebs meisten Erfindungen erweist sich sein putziger Sidekick als nahezu perfekt. Daher gilt es als ausgeschlossen, dass Düsentrieb ihn selbst erschaffen hat. Aber wer dann? Es bleibt ein Rätsel, das Zeichner Carl Barks vor seinem Tod nie aufgelöst hat. Das Helferlein tauchte einfach plötzlich wie ein elektromechanisches Findelkind in seinen Bilderwelten auf und ist fortan nicht mehr wegzudenken. Ein kleines Maschinenmännchen als omnipräsenter Freund und Helfer in allen Lebenslagen. Hand aufs Herz: Wer hätte nicht gern ein solches Helferlein an seiner Seite?
4 verschiedene Geschmäcker
kann Düsentriebs Heu-Milchmaschine produzieren. Vanille, Schokolade, Karamell und Kuhgeschmack. Später gipfelt seine synthetische Nahrungsmittelproduktion in dem Eiserne-Patentration-Gerät, das ausschließlich aus Sand und Luft Zutaten für alle möglichen Speisen generiert. Ein hochaktuelles Thema, Forscher tüfteln seit Jahren an künstlichem Fleisch und Gemüse aus dem Labor.
Am Wetter schrauben
Wenn alle Versuche scheitern, das Klima zu schützen, gilt Geo-Engineering – auch Climate Engineering genannt (siehe Seite 6) – als möglicher Plan B. Während viele Konzepte noch in den Kinderschuhen stecken, hat der clevere Hühnervogel Düsentrieb dazu schon vor Dekaden mehrere patente Prototypen (Gewitterzerstreuer, Ultraschallschneeverdampfer etc.) entwickelt. Kult ist seine Regenstation („Leichter Schauer 3 Taler, Wolkenbruch 20 Taler“), bei der er auf Benjamin Franklins Spuren watschelt. Während der Naturwissenschaftler einen Drachen aus Holzstäben und Seidentuch als Gewitterköder für seinen Blitzableiter nutzt, dreht Entenhausens Universalgenie das Prinzip um. Er schickt mit einem baugleichen Modell einen Blitz – ca. 280 kWh elektrische Energie – zurück in die Wolken. Gush! Der Himmel öffnet seine Schleusen („Sie haben den Blitz ja doch für die Menschheit nutzbar gemacht, Herr Düsentrieb“). Wieder scheint das gezeichnete Superhirn seinen menschlichen Forscherkollegen einen Schritt voraus zu sein. Denn erst seit Ende der 1980er-Jahre versuchen Wissenschaftler, die in Blitzen steckende Energie technisch nutzbar zu machen. Mit überschaubarem Erfolg. Düsentrieb dagegen könnte als Regenmacher Taler um Taler scheffeln. In Zeiten von immer länger werdenden heißen Trockenperioden keine schlechte Geschäftsidee.
Düsentriebs geistiger Vater
„Im Grunde meines Herzens bin ich ein Erfinder, mir fallen ständig die verrücktesten Dinge ein“, sagt Carl Barks einmal. Sein Erfindungsreichtum macht ihn zu einem der bekanntesten Autoren und Zeichner im Disney-Kosmos, unter anderem ist Barks Vater von Dagobert Duck und der Panzerknacker-Bande. Daniel Düsentrieb erweckt der US-Amerikaner 1952 zum Leben – als einen ruhigen, liebenswürdigen und äußerst unprätentiösen Charakter. Barks braucht einen Erfinder für einen kurzen Gag. „Hätte ich gewusst, dass ich mal ein ganzes Buch mit seinen Geschichten machen sollte, hätte ich seine Körpergröße von vornherein der Donalds oder Onkel Dagoberts angepasst.“ Wie Düsentrieb arbeitet auch Barks sehr zurückgezogen in seinem Haus in San Jacinto, Kalifornien. Maximal zweimal im Monat verlässt er die Scholle, um seine Geschichten beim Verleger zu präsentieren, die anfangs nur mit Walt Disney signiert sind. Da Fans lange Zeit nicht wissen, wer der Autor ist, bedenken sie ihn mit dem Ehrennamen „The good artist“. Barks stirbt im Jahr 2000 im Alter von 99 Jahren.
Materialoptimierung
Materialien veredeln, Oberflächen optimieren, der technische Fortschritt auf diesem Gebiet galoppiert in Höchstgeschwindigkeit. Auch Schaeffler baut seine Kompetenzen in der Beschichtungstechnologie kontinuierlich aus. In diesem Sinne sind die Entwickler aus Herzogenaurach und der Comickollege forschende Brüder im Geiste. Zugegebenermaßen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Das schnabelige Cleverle setzt auf eher ausgefallene Innovationen. Oder haben Sie schon mal was von Fell auf kalten Türklinken gehört? Laut Entenhausener Gerüchteküche schwören Rheumatiker Düsentrieb ewige Dankbarkeit wegen dieses Geistesblitzes. Genauso wie der geizige Onkel Dagobert, für den das Superhirn einen unzerstörbaren Geldbehälter gebaut hat. Aus einem neu geschaffenen Element: Fortismium (aus dem Lateinischen für stark). Ein Stoff, härter als Diamant auf der Mohsschen Härteskala. Superärgerlich nur, wenn man dann den Code für das 17-fach gesicherte Panzerschloss vergessen hat. Superhart wird auch Düsentriebs neuartiger Schaumstoff: „Er kommt fertig aus der Tube, härtet sich in zwei Minuten und ist dann fest wie Granit.“ So lesen sich Wunschträume von realen Bautechnikern. Apropos schaffe, schaffe, Häusle baue: Auch hier setzt Düsentrieb auf das Prinzip ruck-zuck. Ein Haus ohne Stein, ohne Holz und Metall, aus einem „modernen Plastik-Material. Das ganze Haus kann aufgeblasen werden wie ein Luftballon“. Im Prinzip ein frühes Exemplar des Kinderfest-Klassikers Hüpfburg, den eine Österreicherin erst 20 Jahre später, nämlich 1977 erfand. Ob diese ein Düsentrieb-Fan war, ist nicht überliefert.
Die Barks Library
umfasst die gesammelten Werke von Disneys Kultcomicautor Carl Barks, die er von 1942 bis zum Ruhestand 1966 geschrieben und gezeichnet hat. Das Düsentrieb-Special beinhaltet 6 Bände, inklusive eines Lexikons mit allen Erfindungen. Von A wie aufblasbares Haus bis Z wie Zukunftskamera.