Da bewegt sich was
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September 2017

Da bewegt sich was

In Ländern wie Vietnam, Thailand, Indonesien und Malaysia greifen über 80 Prozent aller Haushalte in Sachen Mobilität auf Zweiräder zurück – Grund genug, sich das Thema einmal genauer anzuschauen.

​„Einfach losgehen.“ Anh Nyguen schaut stets in ungläubige Gesichter, wenn er Touristen erklärt, wie sich diese im wuseligen Treiben auf den Straßen Ho-Chi-Minh-Stadts fortbewegen sollen. „Einfach losgehen. Mit gleichmäßigem Tempo. Die Mopedfahrer weichen aus.“ Und tatsächlich, es funktioniert. So wie das Meer Moses gewichen ist, teilt sich die Moped-Flut und macht den Fußgängern Platz. Aber Vorsicht: „Der Trick funktioniert nur bei Mopeds, nicht bei Autos“, schiebt Nyguen warnend hinterher.

7,4 Millionen Zweiräder sind in Ho-Chi-Minh-Stadt registriert, eine Million weitere sollen sich dort tummeln – bei acht Millionen Einwohnern. Die Zweiräder prägen das Stadtbild wie kein anderes Verkehrsmittel. Und damit ist das ehemalige Saigon kein Einzelfall. Insbesondere in Südostasien beflügeln Kleinkrafträder die Sehnsucht nach individueller Mobilität.

Geht nicht gibt’s nicht

Gerade Besucher aus westlichen Ländern staunen immer wieder, welche Transportwunder die zarten Vehikel vollbringen. Egal ob in Jakarta, Hanoi, Bangkok, Kuala Lumpur oder Pune, überall entdeckt man ganze Familien, die damit durch die Stadt surren, die Kleinsten irgendwo zwischen Lenkrad und Sattel auf dem Tank kauernd. Kiosk­besitzer stapeln sich mannshoch Bierkisten im Rücken und noch zwei zwischen den Beinen. Baustellenmannschaften rücken mit Zwittergefährten an, vorn Mofa, hinten Pick-up. Wieder andere koppeln einen üppig bepackten Anhänger an, doppelt so groß wie das zweigetaktete Zuggerät.

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Indien legt mit Vollgas nach

In Indien werden jeden Tag 48.000 neue Zweiräder zugelassen, 17,7 Millionen waren es 2016 insgesamt. Damit ist der Subkontinent der mittlerweile größte Moped-Markt der Welt – noch vor China (16,8 Millionen) und Indonesien (sechs Millionen). Und er soll weiter wachsen, wie die „Times of India“ berichtet. Zum einen weil die indische Regierung massiv in die ländliche Infrastruktur investiert und damit auch dort den Wunsch nach Individualverkehr nährt. Zum anderen weil sich Aufsteiger, die sich mittlerweile ein Auto leisten können, ein wendiges Moped als Zweitfahrzeug zulegen, um durch die dauerverstopften Innenstädte wuseln zu können. Dabei schätzen nicht nur Männer speziell die einfach handzuhabenden Motorroller als unkomplizierte und preiswerte Cityflitzer. Beim indischen Roller-Marktführer Honda ist schon jeder dritte Kunde weiblich.

135 Mio.

neue Motorräder wurden 2016 weltweit verkauft. Das sind etwa 50 Prozent mehr als Autos und leichte Nutzfahrzeuge (88,1 Millionen). Beides sind Rekordwerte.

Die Zweiradschwärme, die durch viele Metropolen in Entwicklungs- und Schwellenländern knattern, sind eine massive Belastung für die Umwelt. Zumal viele davon Zweitakt-Stinker sind. Das treibt Sorgenfalten auf die Stirn vieler Stadtoberer. Vietnams Hauptstadt Hanoi – wie so viele andere Megacitys stets am Rande des totalen Verkehrskollapses – hat sich zum Ziel gesetzt, die Zweiradflut ab 2030 aus der Stadt auszuschließen.

Ursachen, Probleme und Lösungen

Da ein Umsteigen der Verbannten ins Auto nicht zielführend ist, gibt es eigentlich nur ein probates Mittel: den Ausbau einer soliden Nahverkehrsinfrastruktur. Gerade der Mangel daran ist aber – neben den günstigen Anschaffungs- und Unterhaltskosten – ein entscheidender Grund, warum die Kleinkraftschwärme zur Plage angewachsen sind.

In China zeigt sich schon heute ein zweiter Lösungsweg auf: Elektrozweiräder, vom Pedelec bis zum Motorrad. Im Jahr 2004 wurden in dem Riesenreich 40.000 Stück der kleinen Stromer verkauft, aktuell sind es 20 Millionen pro Jahr. Wobei bei der Klasseneinteilung die 20/40-Regel gilt: Alles unter 20 km/h und 40 Kilo gilt als Fahrrad und darf ohne Zulassung und Führerschein bewegt werden, aber eben auch nur mit den entsprechenden Einschränkungen. Alles darüber gilt als Motorrad und braucht entsprechende Lizenzen.

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Sharing macht Roller auch in Europa attraktiv

Als Antwort auf die dicke Luft hat der taiwanische Anbieter Gogoro ein elektrisiertes Roller-Konzept auf die Räder gestellt, bei dem man Akkus an Stationen tauschen kann. Energy to go, sozusagen. Gogoro setzt auch auf das Sharing-Prinzip, besonders in Europa. Nach einem erfolgreichen Start in Berlin nimmt man Paris ins Visier. Mit Emmy gibt es – neben Anbietern mit Verbrenner-Rollern – bereits einen E-Scooter-Sharing-Konkurrenten, der ebenfalls die urbanen Ballungsräume erobern will. Die Wachstumsraten in der Branche deuten darauf hin, dass weitere Anbieter folgen werden. In China will sich Zeebike in 30 Städten mit 100.000 Mietrollern ausbreiten. Der spanische Elektroroller-Bauer Scutum hat mit dem Energieriesen Repsol einen starken Partner gefunden, der auch im Sharing-Bereich aktiv werden will. Repsol-Manager Carlos Bermúdez García ist sich sicher, mit dem Einstieg bei Scutum gut investiert zu haben: „Alle Studien deuten darauf hin, dass der ­E-Scooter-Markt in den kommenden Jahren ein deutliches Wachstum erleben wird.“ Grund genug, das Thema im Auge zu behalten.

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Auch beim Kleinkraftrad sind Elektrifizierung und Sharing Themen. Das Foto zeigt das Mobilitätskonzept des Anbieters Gogoro mit E-Scooter und Akku-Wechselstation© Gogoro
Haushalte mit motorisierten Zweirädern

Nordamerika

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Europa

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Mittlerer Osten

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Volker Paulun
Autor Volker Paulun
Hamburg, Berlin, Rom, Mykonos – Autor Volker Paulun hat zwar keinen Motorrad-Führerschein, aber wann immer es geht, schwingt er sich auf einen Roller-Sattel. Bei einem eintägigen Stopover in Vietnam juckte der Gasgriff auch, allerdings entschied er sich seiner Reisebegleitung zuliebe doch für einen Stadtrundgang.