Am besten gleich in die Luft gehen
Hamburger Hafen, im Wasser dümpeln dicke Pötte, von denen schwere Container entladen werden. Geschäftiges Treiben. Die Geräuschkulisse überlagert das Surren, das von oben kommt. Dort gehen Drohnen ihrer Arbeit nach. Seit zwei Jahren schon setzt der dortige Terminalbetreiber HHLA die kleinen Fluggeräte für Sichtwartungen ein. Auch die benachbarte und 135 Meter hohe Köhlbrandbrücke wird seit Jahren von der Hamburger Port Authority mit Drohnen auf Schäden untersucht. Auch Eisenbahntrassen, Pipelines, Häuserfassaden oder Offshore-Windparks werden von den unbemannten Luftspionen überwacht. Ordnungshüter greifen ebenfalls zunehmend auf diese Art der Luftunterstützung zurück.
Schon heute zwei Tonnen Nutzlast
Der Einsatzbereich von Drohnen wird fast im Tagesrhythmus größer. Unlängst startete Airbus in Singapur den Warentransport mit Drohnen zu Schiffen, die in den Gewässern vor der Stadt auf Reede liegen. Bis zu vier Kilo Nutzlast und drei Kilometer Entfernung sind hier schon heute möglich. Damit kann man Ersatzteile, Medikamente, Geld oder Dokumente auf die Schiffe bringen – Alltag an großen Seeumschlagplätzen wie Singapur. Mit Drohnen lässt sich das sechsmal schneller und 90 Prozent günstiger erledigen als per Boot, sagt Airbus. Im Hamburger Hafen sollen in absehbarer Zeit sogar große Container mit Drohnen hin und her geflogen werden. „Bei uns lernen die Boxen zu fliegen“, verspricht Angela Titzrath, Vorstandschefin der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Bedenkt man, dass die Quadrokopter schon heute in der Lage sind, bis zu zwei Tonnen gen Himmel zu heben, mag man ihrem Versprechen durchaus Glauben schenken.
All die oben genannten Beispiele sind erst der Anfang einer vertikalen Mobilitätsoffensive. Mit der Größe der Drohnen wachsen auch die Einsatzmöglichkeiten. Prof. Dr.-Ing. Tim Hosenfeldt, Leiter Innovation & Zentrale Technologie bei Schaeffler, ist sich sicher: „Die Zukunft der urbanen Mobilität wird vermehrt in der Luft stattfinden.“ Auf einem Kongress über urbane Mobilitätskonzepte der Zukunft legte der Schaeffler-Experte die Bandbreite der Einsatzzwecke dar. Sie reichen von Lieferdiensten über medizinische Versorgung und interurbane Mobilität bis zum Rennsport (siehe auch Kasten unten).
Demokratisierung der vertikalen Mobilität
Die vertikale Mobilität ist schon heute in Mega-Metropolen wie São Paulo, Mexiko-Stadt, London oder New York im Einsatz – mit Helikoptern. Allerdings können sich nur Reiche den komfortablen, staufreien und damit pünktlichen Service leisten. Drohnen können helfen, diese Art der Fortbewegung zu demokratisieren. Mobilitätsdienstleister Uber kalkuliert für die Drohnen-Taxis Uber Air in der Anfangsphase mit 5,73 Dollar pro Passagiermeile und peilt mittelfristig 1,86 Dollar an. Ziel sollen 0,44 Dollar sein, was in etwa den Kosten für eine Passagiermeile im eigenen Auto entsprechen würde. Die Firma Porsche Consulting hat für Hamburg einige Strecken kalkuliert, zum Beispiel den Drohnenflug vom Flughafen zum neuen Wahrzeichen der Elbmetropole, der Elbphilharmonie. Das Ergebnis: 30 Euro für 12 Kilometer und 30 Minuten Flugzeit – schneller und billiger als die Taxi-Konkurrenz am Boden.
Politik fliegt auf Drohnen-Technologie
Das hört sich fast schon nach einem Schnäppchen an, bei dem man gleich zugreifen will. Da stellt sich die Frage, wann die Drohne ihren Siegeszug im Personen- und Frachtverkehr starten wird. „Wir gehen davon aus, dass der Durchbruch 2025 erfolgt“, sagt Schaeffler-Experte Hosenfeldt. Sebastian Thrun, der langjährige Google-Berater und aktuelle CEO beim Lufttaxi-Start-up Kitty Hawk, ist überzeugt, „dass die Branche in ein paar Jahren das brandheißeste Thema auf dem ganzen Planeten“ sein wird. Gestützt werden solche Prognosen durch das energische Vorantreiben der Technologie an breiter Front. Anbieter wie die etablierten Luftfahrtunternehmen Airbus, Bell und Boeing oder Start-ups wie Lilium, eHang, Kitty Hawk oder Volocopter stehen in den Startlöchern. Seitens der Politik gibt es Rückenwind. Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer sagte bei der Präsentation des Airbus-Lufttaxis geradezu euphorisch: „Wir wollen Drohnen und Lufttaxis aus dem Labor in die Luft bringen – im Sinne eines starken Innovationsstandortes Deutschland.“ Sein österreichischer Amtskollege Norbert Hofer drückt ebenfalls verbal aufs Gaspedal. Er hoffe, dass Österreich zu den ersten Ländern gehört, in denen Drohnen-Taxis durch die Städte fliegen. Die Konkurrenz ist groß, in nicht weniger als 50 Städten rund um den Globus sind Projekte für vertikale Mobilität am Start.
Zahlen und Fakten
Der Elan der Legislative befeuert die Fantasien der Drohnen-Unternehmer. Aus gutem Grund: Ohne den nötigen rechtlichen Rahmen wird der Luftraum in den Städten eine Tabuzone bleiben. Lilium-Chef Daniel Wiegand mahnt: „Die Technologie ist nicht unser Problem, es sind eher die Dinge, die wir nicht selbst unter Kontrolle haben, wie beispielsweise Luftfahrtregeln und der Aufbau der für den Luftverkehr neuen Infrastruktur mit Start- und Landemöglichkeiten.“
Die Zukunft der urbanen Mobilität wird vermehrt in der Luft stattfinden
Prof. Dr.-Ing Tim Hosenfeldt,
Leiter Innovation & Zentrale Technologie bei Schaeffler
Ob Kommunalpolitiker, Umweltverbände und Bewohner der „bedrohnten“ Städte die Euphorie teilen, ist zumindest fraglich. Ganz klar: Der Luftraum in dicht besiedelten Stadtgebieten ist besonders sensibel. Lärm- und Umweltschutz sind ebenso heiße Eisen wie der Aspekt der Sicherheit. Was niemand will: neben verstopften Straßen auch noch einen verstopften Luftraum ein Stockwerk höher. Und erst recht keine abstürzenden Flugkörper über bewohnten Gebieten. In einer Studie der US-Universität Berkeley äußerten die Befragten bei den Stichworten Sicherheit, Lärm und Eindringen in die Privatsphäre die größten Bedenken. Auch löst der Gedanke, sein Schicksal in die Hände einer autonom fliegenden Maschine zu legen, zwiespältige Gefühle aus. Außerdem hielt eine Mehrheit der Befragten Passagierflüge mit Drohnen eher im interurbanen Verkehr für sinnvoll als im urbanen.
Schaeffler spielt Kompetenzen aus
Um Unfälle zu verhindern, sind auch die technischen Anforderungen an die Fluggeräte extrem hoch. Ein Vorteil für Schaeffler. „Wir sind seit vier Jahrzehnten als Zulieferer in der Luft- und Raumfahrt aktiv und entsprechend zertifiziert“, erklärt Hosenfeldt. „Das erleichtert uns den Zugang zum expandierenden Markt mit Drohnen.“ Auch die Erfahrungen in der Elektrorennserie Formel E sind wertvoll. Insbesondere im Bereich Hitzeentwicklung. Immer wieder kämpfen Hersteller bei Testflügen mit diesem Problem, bis hin zu Brandschäden. Hosenfeldt: „In der Formel E haben wir auch im Bereich Thermo-Management wichtige Erfahrungen gesammelt, weil die von uns mitentwickelten Antriebsaggregate im Rennbetrieb über einen längeren Zeitraum Höchstleistungen abrufen und standhalten müssen.“
Aktuell ist Schaeffler mit verschiedenen Herstellern in Gesprächen. Beim Technologiekonzern kann man sich vorstellen, neben Lagern, E-Motoren und Leistungselektronik auch komplette Antriebseinheiten zuzuliefern. Und warum nicht Passagier- oder Cargo-Boxen des urbanen und autonomen Mobilitätskonzepts Schaeffler Mover mit Drohnen in die Luft aufsteigen lassen? Wie heißt es so schön in der Branche: „The sky is the limit.“
Schweizer Taschenmesser der Mobilität
Drohnen sind schnell, wendig, flugsicher in diversen Größen und Preisklassen erhältlich – und daher extrem vielseitig einsetzbar.