Ab die Post!
3000 v. Chr bemerken ein paar findige Altbabylonier, dass man Zeichen in Tontafeln ritzen und somit Nachrichten auch über große Distanzen wortgetreu übermitteln kann. Einige Jahrhunderte später nutzen die altägyptischen Pharaonen hauchdünne Papyrusrollen, um ihre geschriebenen Anordnungen bis in die entlegensten Winkel ihres Reiches zu versenden. Der Vorteil des pflanzlichen Schreibmaterials: Es ist leicht(er) zu beschreiben, lässt sich aufrollen und kann somit einfacher transportiert werden. Außerdem richten die ägyptischen Gottkönige eine erste Form des Postbetriebs ein. Segelschiffe auf dem Nil transportieren in regelmäßigen Abständen wichtige Depeschen schnell über große Distanzen.
Die Chinesen machen sich ebenfalls als Post-Pioniere verdient: Sie bauen um 1000 v. Chr. das erste Verteilernetzwerk mit Relaisstationen auf. Das persische Reich des Kyros im 6. Jahrhundert v. Chr. setzt ebenfalls Botenstaffeln ein, die von Poststation zu Poststation reiten. Dieses System wurde von den griechischen Historikern Herodot und Xenophon ausführlich beschrieben.
Ein schneller Nachrichtenfluss ist in den Riesenreichen der Antike eine wichtige Säule des Machterhalts, vor allem bei militärischen Operationen. Für einen schnelleren Transport der geschriebenen Botschaft errichten die Römer unter Kaiser Augustus (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.) das cursus publicus – das erste staatliche Postsystem. Berittene Meldereiter befördern im Galopp Briefe von Politikern und hohen Militärs in alle Ecken des Imperiums. Müde Pferde können alle paar Kilometer an Meldestationen ausgetauscht werden.
Post für alle
Für Jahrhunderte bleibt die Postzustellung ein Privileg für die Reichen und Mächtigen. Erst im 15. Jahrhundert, mit der Einführung von billigerem Papier als Schreibunterlage, werden Briefe auch für Kaufleute eine immer wichtigere Kommunikationsform. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte nutzen auch immer mehr Privatpersonen den Schriftwechsel per Boten.
Hoch auf dem schnellen Wagen
Die Butterfield Overland Mail Company war die erste regelmäßige Postkutschenverbindung quer durch die USA. Sie sollte helfen, die abgeschiedenen Gebiete im Westen besser mit Informationen zu versorgen und so die Besiedlung voranzutreiben – ein ähnlicher Gedankengang also wie heute beim Internet- respektive Glasfasernetzausbau. Am 15. September 1857 starteten die ersten Postkutschen von St. Louis im Osten und San Francisco im Westen. Die Postkutsche von San Francisco erreichte St. Louis nach 23 Tagen und 4 Stunden mit Post und 6 Fahrgästen. Die 4.555 km lange Route wurde zunächst zweimal wöchentlich befahren. Jeden Montag und Donnerstag machten sich die Postkutschen von ihren Startorten in Ost und West mit Passagieren, Gütern und bis zu 12.000 Briefen an Bord auf den Weg. Ein One-Way-Passagierticket kostete satte 200 $. Das Unternehmen beschäftigte zwischenzeitlich mehr als 800 Menschen, hatte über 130 Stationen im Einsatz. Immer häufigere Überfälle, der Bürgerkrieg und schließlich der Siegeszug der Eisenbahn sorgte bereits 1861 für das Aus des Dienstes.
Der Transport der Sendungen gewinnt mit jeder technischen Evolution an Tempo. Postkutschen werden durch Eisenbahnen ersetzt, die Luftpost macht alles noch schneller. Sogar mit Raketen als schallschnelle Kuriere wird experimentiert.
Und je schneller und auch kostengünstiger die Zustellung wird, desto mehr Sendungen werden auf den Weg gebracht. Die Folge: Die Verteilzentren kommen mit dem Sortieren nicht mehr hinterher. Auch weil der technische Fortschritt dort lange vor der Tür bleibt. Lediglich einfachste Hilfsmittel wie Sortiertische, Regale oder Ablagefächer erleichtern die Arbeit bis weit über die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinaus.
Mensch vs. Maschine
Erst Mitte der 1950er-Jahre setzt die US-Post als globaler Vorreiter auf maschinelle Unterstützung, um die Sendungsströme zu kanalisieren. 1956 kommt die erste halbautomatische Postsortiermaschine in Baltimore zum Einsatz. Ein Jahr später, am 10. April 1957, nimmt eine Transorma Letter Sorting Machine im Blair Post Office im US-Bundesstaat Maryland ihren Dienst auf. Mithilfe des zweistöckigen, beinahe vier Meter hohen Ungetüms des niederländischen Herstellers Werkspoor können fünf Angestellte innerhalb einer Stunde bis zu 15.000 Briefe sortieren – mehr als doppelt so viele Sendungen wie zuvor per Hand.
Ein weiterer Meilenstein: 1978 wird in Wiesbaden die erste automatische Briefsortieranlage mit Anschrifterkennung und Videocodierung installiert. Eine Technik, die im Laufe der Jahre immer weiter verfeinert wird. Heute arbeiten alle vollautomatischen Groß-Sortiermaschinen weltweit mit Texterkennungsprogrammen. Hinter dem scheinbar simplen Prozess des Sortierens steckt mittlerweile ein perfekt abgestimmtes Zusammenspiel mechanischer, optischer und digitaler Technik.
In der Vorverarbeitung werden die verschieden großen Sendungen zunächst einmal gescannt und in zwei Gruppen eingeteilt: Kann die Maschine die Adresse lesen oder nicht? Sollte dies nicht der Fall sein, wird die Sendung zur manuellen Erfassung ausgeschleust. Post mit einer lesbaren Anschrift wird anschließend ausgerichtet, erkannte Briefmarken automatisch abgestempelt. Anschließend wird mittels einer OCR-Software (Optical Character Recognition) die entsprechende Postleitzahl ermittelt und der Brief über Transportbänder in das entsprechende Fach für diese Destination geleitet. Und das so schnell wie möglich. Schließlich gilt: Zeit ist Geld. Der Empfänger möchte, dass seine Post innerhalb von 24 bis 48 Stunden bei ihm eintrifft.
Schwindelerregende Zahlen
Und die zu sortierenden Massen sind gewaltig. Selbst im digitalen Zeitalter ebbt die tägliche Zahl an versendeten Briefen kaum ab. Absoluter Spitzenreiter: die USA. 14 Milliarden Briefe wurden dort 2020 verschickt. 90 Prozent davon ist – wer kennt es nicht aus dem eigenen Briefkasten – Marketing-Korrespondenz. Während die Zahl der Briefe in fast allen Industrienationen in den vergangenen Jahren auf konstant hohem Niveau bleibt, explodieren die Lieferzahlen bei Paketzustellungen dank Online-Shopping geradezu. Im vergangenen Jahr wurden laut dem „Parcel Shipping Index“ des Frankier- und Konfektioniermaschinenherstellers Pitney Bowes weltweit 131 Milliarden Pakete versendet. Zum Vergleich: 2014 waren es noch 43 Milliarden Paketzustellungen.
656.000
klassische Postämter gibt es noch immer weltweit. Dort arbeiten 5,23 Millionen Menschen.
Quelle: Postal Development Report 2020
Auch wenn es irgendwo im Nirgendwo noch das eine oder andere kleine, schnuckelige Postamt gibt – die Zusteller von heute sind Global Player der Logistik. Die einfachen Postrouten haben sich mittlerweile zu komplexen Vertriebsnetzen weiterentwickelt. Die ausgehende Post wird in riesigen Umschlagzentren gesammelt und für den nationalen und internationalen Versand geordnet.
Allein die Zahlen des UPS Worldport sind schwindelerregend. In Louisville im US-Bundesstaat Kentucky betreibt der amerikanische Kurierdienst mit einer Gesamtfläche von 48 Hektar das größte Paket- und Umschlagzentrum der Welt. Allein die Sortierhalle misst über 200.000 Quadratmeter. Dort werden mehr als 400.000 Pakete ihren jeweiligen Empfängern zugeordnet. In einer Stunde! Dabei hilft ein schier endloses, mehrstöckiges Labyrinth aus 33.000 Förderbändern mit einer Gesamtlänge von 250 Kilometern, hunderten von optischen Scannern und Weichen. Während des gesamten Verteilungsprozesses kommt eine Sendung im Worldport nur zweimal mit Menschen in Kontakt: Beim Ausladen aus den Anlieferungscontainern und beim Beladen der Auslieferungscontainer.
Smarte Sicherheit
Es fällt leicht, sich vorzustellen, was passiert, wenn in einem dieser Hightech-Verteilerzentren auch nur eines der Bänder, eine der Weichen ins Stocken gerät. Ein unvorhergesehener Defekt – und schon türmen sich schnell Berge von Paketen und Briefen auf. Das bedeutet im schlimmsten Fall nicht nur negative Presse, sondern auch Strafzahlungen wegen Lieferverzögerungen.
Um solchen Ausfällen vorzubeugen, tauschen Maschinenführer Bauteile zur Sicherheit schon weit vor der eigentlichen Verschleißgrenze aus. Das kostet Geld und Ressourcen. Aber wie heißt es so schön: Man steckt ja nicht drin. Und wer kann schon sagen, wann ein Teil kaputtgeht? Früher hieß die Antwort: niemand. Heute gibt es genau für solche Vorhersagen Condition-Monitoring-Systeme.
Die Royal Mail, der nationale Postdienst im Vereinigten Königreich und ebenfalls ein Global Player, setzt beispielsweise auf SmartCheck von Schaeffler, um das kostenintensive Risiko eines Ausfalls zu minimieren. Das Online-Messsystem überwacht und analysiert bei der Royal Mail die Arbeitsprozesse der Karussell-Sortiermaschinen an neuralgischen Punkten. Dadurch werden jährlich nicht nur unnötige Wartungskosten und Ersatzteile im Wert von 50.000 Pfund eingespart, auch die Ausfallquote von wichtigen Antriebskomponenten ist deutlich zurückgegangen. Die Folge: weniger Störungen, eine flüssigere Lieferkette und zufriedene Kunden. Schließlich wartet niemand gerne lange auf einen langersehnten Brief oder das bestellte Paket.